Auch im Nachwuchsbereich ist das ein außergewöhnlicher Wert. „Er ist der überragende A-Jugend-Stürmer der letzten Jahre. In keiner Saison gab es zuletzt einen, der eine vergleichbare Quote hatte wie er. Kein Mario Gomez, kein Sven Schipplock“, sagt Dr. Michael Welling. Rot-Weiss Essens 1. Vorsitzender ist dabei schon ein wenig stolz, denn mit der Verpflichtung dieses Torjägers könnte dem Regionalliga-Aufsteiger ein spektakulärer Coup gelungen sein. Nachdem Kaya in seiner zweiten A-Jugend-Saison 19 Treffer in 14 Spielen hinlegte, wollte der VfL Bochum Nägel mit Köpfen machen und den im Nachwuchs augenscheinlich überqualifizierten Youngster in den Profikader befördern.
Für Kaya aber offensichtlich zu schnell. Das Sturmjuwel erbat sich Bedenkzeit, zweifelte daran, auch wirklich bei den Profis zu spielen. Der VfL hatte schließlich genug und suspendierte Kaya, monierte fehlenden Respekt und endloses Rumgeeier. Drei Monate Fußballpause, kein richtiges Training. Dann kam Michael Oenning. Der hatte früher selbst als Jugendtrainer beim VfL gearbeitet und Ilkay Gündogan aus Bochum ins Frankenland gelockt. Nun überzeugte der jetzige HSV-Coach Kaya von einem Wechsel zum „Club“. Ein Transfer, den beide Seiten zunächst nicht bereuen sollten. Wenig später schrieb die Bild-Zeitung: „Drei Monate ohne Training, aber Kaya trifft und trifft“.
Über Nürnberg und Finnland nach Essen
Der flinke Knipser avancierte zwischenzeitlich zum gefährlichsten Nürnberger. Der Sprung in den Kader jedoch misslang. Warum? „Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. An meiner Leistung lag es sicherlich nicht“, sagt Kaya heute. Was bleibt, sind Mutmaßungen. „Es ging ja die ganze Zeit nur um den Abstiegskampf, da war Erfahrung gefragt.“ Die freilich konnte der damals 19-Jährige nicht anbieten. Dieter Hecking war als Nachfolger von Oenning offenbar nicht vollends von den Qualitäten des Talents überzeugt. Kaya kam zunächst nur in der Regionalliga-Mannschaft zum Einsatz. Die Quote hier: noch immer ordentlich. Zwar kam der gebürtige Gelsenkirchener in 15 Spielen nur drei Mal über die volle Distanz zum Einsatz, erzielte aber immerhin sechs Tore. Im Schnitt also in jeder zweiten Partie. Dennoch sollte er beim FCN nicht mehr glücklich werden. Während sein ehemaliger Teamkollege Gündogan die Karriereleiter heraufkletterte, stieg Kaya gänzlich ab.
Im Sommer 2010 folgte die Vertragsauflösung bei den Franken und es begann die wohl finsterste Zeit im Leben des Fußballers Güngör Kaya. Knapp ein Jahr lang konnte das ehemalig Top-Talent nicht mehr regelmäßig trainieren, geschweige denn spielen. Erst im Januar erhielt Kaya wieder so etwas wie eine Chance. Beim IFK Mariehamm. Wo das bitteschön liegt? Im schwedischsprachigen Finnland, auf der Insel Fasta Åland. 11.197 Einwohner. Diaspora. Kaya hält es genau vier Tage aus. „Die Art des Fußballspielens hat mir dort nicht so gefallen“, sagt der Neu-Essener diplomatisch. das Angebot von RWE kam wie gerufen. „Ich komme hier aus der Region und Essen ist kein kleiner Verein. Das war perfekt für einen Neuanfang.“