Doch die vergitterten Fenster, Überwachungskameras und der abschreckende Stacheldraht rufen den Besuchern schnell wieder ins Gedächtnis, wo sie sich wirklich befinden. So erging es am Samstag den Kickern von Rot-Weiss Essen. Schon beim Einlass an der Pforte des Hochsicherheitstraktes wunderte sich so mancher, warum aus dem Inneren laute Musik schallte. „Wie in der Disco“, dachten sie sich.
Dabei war der Anlass sportlicher Natur. Die JVA Essen hatte den frisch gebackenen Regionalliga-Aufsteiger zu einem kleinen Hallenturnier in die Anstalt eingeladen. Neben der Häftlings-Hausmannschaft und einem Bediensteten-Team waren auch TuS Holsterhausen, Kettwig 08 und der AFC Leone (Bochum) mit von der Partie.
Im Vordergrund standen allerdings die ebenso exklusiven wie einprägsamen Einblicke in den Gefängnisalltag, welche die RWE-Kicker im Rahmen dieser Veranstaltung gewannen. „Das ist alles nicht so schlimm, wie es aussieht“, begrüßte sie JVA-Sportkoordinator und Rot-Weiss-Fan Werner Hensch, um danach lächelnd hinzuzufügen: „Bis auf die Tatsache, dass hier alle Schalker sind.“ Das half, das Eis zu brechen. Denn die Spieler gingen am Anfang offensichtlich noch auf respektvolle Distanz mit den Insassen.
Turnier mit RWE, statt Ausgang
Denen hingegen war die Freude über den hohen sportlichen Besuch deutlich anzumerken. „Für sie ist das etwas ganz besonderes“, erklärte Werner Hensch. „Manche haben heute sogar auf ihren Ausgang verzichtet.“ Verständlich, denn sonst kickt das Essener JVA-Team meist gegen andere Knastteams aus der Region. Auch für Häftling Andreas Gröpper war dieses Ereignis unvergesslich. Der 43-Jährige hütet das Tor der Hausmannschaft und ist zudem glühender RWE-Fan. „So einen Tag werde ich wahrscheinlich nie wieder erleben“, freute sich der ehemalige Dauerkarten-Inhaber. Eine Stunde vorher hatte ihm Essens Stammkeeper Dennis Lamczyk seine Torwarthandschuhe versprochen. Da zauberte Andreas Gröpper mehr als nur einmal ein stolzes Lächeln auf die Lippen.
"Jeder kann sagen, was ich will"
Unvergesslich – dieses Prädikat beschreibt den Tag allerdings auch aus Sicht der rot-weissen Gäste. Denn in den Spielpausen führten Werner Hensch und sein Kollege Uwe Dahlmann Spieler und Betreuer durch die Räumlichkeiten der Haftanstalt. „Das kommt dem, was man in Filmen sieht, schon relativ nah. Das möchte ich später nicht erleben“, zeigte sich RWE-Innenverteidiger Vincent Wagner bewegt. Einblicke in die Gefängniszellen und den gesicherten Haftraum - ein karger und fensterloser Raum mit magnetischen Fußfesseln - hinterließen bei ihm und seinen Teamkollegen bleibende Eindrücke.
Ein bedrückendes Gefühl, das auch Trainer Waldemar Wrobel nicht ganz kalt ließ: „Uns allen war etwas mulmig zumute. Man merkte während des Rundgangs, wie wichtig doch die Freiheit ist.“ Bis auf die verletzten Spieler hatte Wrobel seinen kompletten Kader mit in die JVA Essen genommen. Den Coach erwartete übrigens noch eine besondere Überraschung. Ein talentierter Insasse hatte ihn, versehen mit dem Spruch „Jeder kann sagen, was ich will“, stilecht portraitiert. Und Wrobel schien das Ergebnis sichtlich zu gefallen.
Das Turnier gewann übrigens der FC Kettwig 08, dem sogar ein 4:2-Sieg gegen Rot-Weiss Essen gelang. Die einzige Niederlage des Wrobel-Teams, das sonst alle Spiele für sich entscheiden konnte. Doch irgendwie war das an diesem Tag nur eine Randerscheinung.