Je deutlicher sich Rot-Weiss Essen als Tabellenführer profiliert, desto schwieriger wird es für Trainer Waldemar Wrobel, aufkeimendem Anspruchsdenken vorzubeugen.
Doch der 40-Jährige will leise Töne nicht als Phrasen oder plumpes Understatement verstanden wissen. Um das zu demonstrieren, eignet sich der kommende Gegner geradezu hervorragend. Natürlich sei seine Mannschaft gegen den 1. FC Kleve Favorit. Aber es gebe keinen Grund, die Zügel schleifen zu lassen. „Wenn wir das abrufen, was wir drauf haben, können wir die Serie nach den beiden Auswärtssiegen erfolgreich abschließen“, glaubt Wrobel. Aber eben auch nur dann. „Was sonst passiert, haben wir in Hüls gesehen, da sind wir auch schon mal auf die Fresse gefallen.“
"Es gibt kein Motivationsproblem"
Was jedoch keinesfalls heißen soll, dass er jedwede Tendenzen dieser Art im Team erkenne. Ganz im Gegenteil: „Ich muss gar nicht viel dazu tun. Es gibt kein Motivationsproblem. Die Kritik kommt aus der Mannschaft selbst.“ Wie etwa in Aachen, als die Spieler mit ihrer eigenen Leistung in der Halbzeitpause sehr kritisch umgegangen seien. „Das habe ich so noch nicht erlebt, aber Qualität ist eben nicht nur eine Frage des Alters“, ergänzt der Polizeibeamte.
Dass nicht nur mental, sondern vor allem fußballerisch Potenzial in dieser Mannschaft steckt, hat Rot-Weiss Essen in dieser Saison zur Genüge bewiesen. Allerdings sei gerade das vielleicht der Tick, der dem Team noch fehle. „Wir werden erst sehen, wie stark wir wirklich sind, wenn wir den ersten Dämpfer bekommen. Bisher haben wir doch nur die Vögel zwitschern hören“, betont Wrobel. Dass diese Rückschläge kommen werden, darauf könne man sich mit hoher Wahrscheinlichkeit einrichten. „Jede Mannschaft durchläuft im Laufe einer Saison einen Tiefpunkt. Wenn wir die Ersten sind, denen das nicht passiert, habe ich nichts dagegen und wir betteln auch nicht darum.“ Aber sie richten sich darauf ein. „Als Präventionsmaßnahme. Wir wollen das Zeitfenster, um auf solche Situationen zu reagieren, möglichst klein halten.“
„Zu diesem Zeitpunkt der Saison ist das nichts!“
Neben der statistischen Wahrscheinlichkeit eines Rückschlags, machten zudem auch sieben Punkte Vorsprung auf Rang drei aus Rot-Weiss Essen noch keinen Aufstiegskandidaten. „Zu diesem Zeitpunkt der Saison ist das nichts!“, sagt der Essener Coach. Und von einem Klassenunterschied gegenüber der Konkurrenz sei sein Team ohnehin weit entfernt. „Wir haben noch keinen Gegner aus irgendwelchen Stadien herausgeprügelt und mussten in jeder Begegnung an Grenzen gehen.“
Allein dem Zufall geschuldet ist der Lauf der Essener aber selbstverständlich nicht. Das ist Wrobel bewusst. Doch um sich tatsächlich über ambitionierte Ziele zu unterhalten, sind noch einige kritische Punkte zu überwinden. Sollten die Essener gut in die Winterpause kommen, diese ohne Verletzungen überstehen und dann möglichst auch einen guten Start in die Rückserie hinlegen, dann könne man sich möglicherweise auch über mehr unterhalten. Aber erstmal gilt vor allem eins: „Ich will nicht, dass die Jungs auf einen Trip kommen, der uns zu diesem Zeitpunkt nicht zusteht.“ Zumindest noch nicht...