Homosexualität im Fußball, das kann nicht funktionieren. So wird es jedenfalls gemeinhin behauptet. Um ersten Entgegnungen den Wind aus den Segeln zu nehmen: männliche Homosexualität. Lesbische Fußballerinnen sind – lässt man die unvermeidlichen Betonköpfe außen vor – von Beleidigungen oder gar Anfeindungen weitestgehend befreit. Das ist die der öffentlichen Debatte zugrunde liegende Prämisse, unterfüttert von Erfahrungsberichten von Marcus Urban. Der frühere DDR-Fußballer und Buchautor („Versteckspieler“) wird regelmäßig in Talkshows gebeten, um von dem Druck zu erzählen, den er spürte, sich als schwuler Spieler nicht outen zu dürfen. In Ermangelung anderer Fallbeispiele galt daher Urbans Vergangenheit bislang als Schablone für das Dasein schwuler Fußballer.
Auch das Outing von Thomas Hitzlsperger im Januar änderte daran nichts. Im Gegenteil, dass der ehemalige Nationalspieler erst nach seinem Karriereende mit seiner Homosexualität an die Öffentlichkeit ging, wird von den meisten als Zeichen dafür gewertet, dass es Profis noch immer nicht möglich ist, sich noch während ihrer aktiven Zeit zu ihrer Vorliebe für Männer zu bekennen. Der Theorie, Fußball sei von der ersten bis in die unterste Liga konsistent, tritt nun jedoch ein entwaffnendes Gegenbeispiel gegenüber: Daniel Bresche, Torhüter beim Mülheimer B-Kreisligisten Dümptener TV, ist schwul – das weiß jeder und doch stört es niemanden.
Wenn er nicht gerade im Vereinsheim kocht, hütet Daniel Bresche in Dümpten das Tor. An seiner Homosexualität stört sich dabei niemand.
Vor zwei Jahren zog der heute 32-Jährige von Coesfeld nach Mülheim und nahm beim Dümptener TV eine Stelle als Koch im Vereinsheim an. „Ich habe damals beim Vorstellungsgespräch extra dazugesagt, dass ich schwul bin“, erzählt Bresche. „Nicht, dass es hinterher deswegen noch Probleme gibt.“ Doch die Restaurantchefin sah darin ganz und gar kein Problem, stellte ihn ein und so lernte er über seine Arbeit nach und nach die Leute im Verein kennen. Weil bekannt war, dass er früher Fußball gespielt hatte und den Alten Herren ein Torhüter fehlte, fragten sie ihn, ob er nicht vielleicht aushelfen wolle. Von da an ging es für ihn bis in die erste Mannschaft.
"Ich bin die Mannschaftsschwuppe"
Daran, dass er schwul ist, stört sich offenbar niemand. „Mein Freund war bei der Weihnachtsfeier dabei, neulich verabredete er sich auch mit den Spielerfrauen, die haben dann zusammen während einem Spiel von uns am Rand gestanden und ihren Sekt getrunken.“ In der Kreisliga kennen sich viele Spieler der verschiedenen Vereine untereinander, so groß sind die Entfernungen schließlich nicht. Auch auf Parties läuft man sich immer mal über den Weg, daher lässt es sich auch nicht vermeiden, dass zumindest in der Liga auch so gut wie jeder über Bresches Homosexualität Bescheid weiß. Ein Geheimnis macht der gelernte Gastronom aber ohnehin nicht daraus, schließlich lebt er bereits seit vielen Jahren offen mit seiner sexuellen Neigung. Bresche bevorzugt einen unaufgeregten Umgang mit dem Thema: „Wenn jemand fragt, sage ich es ihm, aber sonst nicht. Ich bin schließlich kein Außerirdischer, sondern einfach nur der Daniel.“ Sprüche von seinen Mannschaftskollegen oder von Gegnern gebe es im Grunde kaum mal, berichtet Bresche. „Meistens sind die spaßig gemeint. Und wenn nicht, weiß ich mich schon zu wehren. Schimpfwörter gibt es ja auch für Heterosexuelle mehr als genug“, schmunzelt er. Damit, dass er die „Mannschaftsschwuppe“ ist, kann er gut leben, immerhin lässt es sich durchaus so interpretieren, dass er akzeptiert wird, wie er ist.
Mit seiner Offenheit ist er so etwas wie die personifizierte Falsifizierung der Homophobie-Debatte, oder zumindest der Zaunpfahl, der den Wortführern anzuzeigen versucht, dass sie sich in thematischen Irrwegen zu verlieren drohen. Denn wenngleich sicher noch ein Unterschied zwischen Fußball im Amateur- und Profibereich besteht: Die Leute, vor denen die Öffentlichkeit so große Angst zu haben scheint, also die Zuschauer auf den Rängen – besonders in den Blocks der „harten“ Fans – sind nicht selten diejenigen, die in der Kreisliga auf dem Platz stehen.
Lesen Sie auf Seite 2 was Daniel Bresche zu Thomas Hitzlsperger und den Fehlern des DFB sagt