Blau-Weiß Wulfen ist schon ausgeschieden. Deshalb hat Bernie Fasselt ein wenig Zeit. Ein hohes Gut, das dem Betreuer der ersten Mannschaft nicht mehr allzu häufig zuteil wird. Ehefrau Karola wird es freuen. Auch wenn sie es ist, die ihm immer den letzten Schubser gibt, wenn der 65-Jährige wieder einmal überlegen muss, ob er so richtig Lust hat, sich um alles zu kümmern, was neben dem Spielbetrieb eben anfällt.
Als er erfährt, dass er als „Held des Alltags“ an dieser Stelle erscheinen soll, wiegelt er zunächst ab. „Mir ist das eigentlich nicht so geheuer. Ich werde auch nicht so gerne fotografiert.“ Schließlich aber willigte er ein. „Man kann ja nicht vor allem weglaufen.“
Seine Bescheidenheit zeichnet ihn aus
Vor einigen Jahren wurde auch der Deutsche Fußball-Bund auf ihn aufmerksam, Fasselt sollte für sein Ehrenamt geehrt werden. „Das sollte in Recklinghausen beim dortigen Fußballverband stattfinden. Theo Zwanziger hat die Ehrung vorgenommen. Aber ich hatte gar keine Zeit. So wild bin ich da auch gar nicht drauf“, muss er grinsen, als er das sagt. Die Ehrung wurde nachgeholt. Auf der Weihnachtsfeier seines Vereins spielte Wulfens Staffelleiter Josef Humme die Vertretung des damaligen DFB-Präsidenten.
Beim 1. SC BW Wulfen können sie von seiner Bescheidenheit und Scheue ein Liedchen singen. Meik Tregel, Sportlicher Leiter des Stadtteil-Klubs, zeichnet für den Internet-Auftritt verantwortlich. „Er wollte nie, dass ich ein Foto von ihm mache. Darum habe ich dann einfach mal eins aus der Hüfte geschossen“, erzählt Tregel, wie er „tricksen“ musste, um Fasselt tatsächlich „einzufangen“.
1980 fing alles an
1980 fing alles an. „Ich war immer mal wieder dabei und habe beim Training zugeschaut. Dann hat der damalige Platzwart Franz Albers mir vorgeschlagen, Ludwig Wanning hier und da ein wenig zu unterstützen“, erinnert sich Fasselt an seine ersten Schritte bei den Blau-Weißen. Umgekehrt erinnert sich jeder seiner alten Weggefährten, was der ehemalige Chemie-Facharbeiter bei der damaligen „Hüls-AG“ in seiner 35 Jahre dauernden Amtszeit für den Verein getan hat. Zum 60. Geburtstag gab es eine kleine Überraschung seiner alten Weggefährten. dabei hatte Fasselt seinem Jubiläum nicht viel Bedeutung beimessen wollen. „Abends lief auch das Freundschaftsspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die Elfenbeinküste“, schmunzelt er. Aus dem ruhigen Abend mit Länderspiel wurde nichts. Auf dem Rückweg vom Spaziergang kamen die Fasselts an einer Hecke vorbei, hinter dem lautes Stimmengewirr zu vernehmen war. „Da saßen plötzlich alle. Alte Spieler, einige Trainer, Vereins-Funktionäre und sogar unser alter Ausstatter, mit dem ich immer verhandelt habe“, erinnert sich der Wulfener Betreuer immer noch gern an die Überraschung zurück. Die spontane Sause war ihm am Ende auch viel lieber als das 2:2 gegen die Ivorer: „Ich habe richtig weiche Knie bekommen. Was da alles vorbereitet war – damit habe ich nicht gerechnet.“
Es war so etwas wie ein Dankeschön seines Vereins. Eine Anerkennung für einen, der rund um die Uhr alles gibt. Und noch mehr, als eigentlich von ihm in seiner Rolle erwartet wird. „Ein bisschen erzieht er die Jungs sogar“, erzählt Meik Tregel, „die Spieler haben vor ihm Respekt. Wenn jemand aus der Reihe tanzt, kriegt er das von Berni gesagt.“
Fasselt ist nicht das „Mädchen für alles“, er ist Betreuer, Berater und Kummerkasten der Wulfener. „Da ist ein schönes Vertrauensverhältnis entstanden. Die Spieler kommen zu mir, wenn es zuhause oder mit der Freundin mal nicht läuft. Oder auch, wenn sie nicht sicher sind, ob sie in einem höherklassigen Verein spielen sollen. Wenn ich finde, dass ein Spieler das machen sollte, dann helfe ich ihm dabei auch mit.“ Das ist für ihn eine Selbstverständlichkeit. Wie er sich darum kümmert, dass die Blau-Weißen pünktlich frisch gewaschene Trikots bekommen. „Er entlastet uns an allen Ecken und Enden. Einfach ein klasse Kerl“, lobt Tregel. Der in seinen 35 Jahren als Betreuer das ein oder andere mitgemacht hat.
Einmal nur will er mit Blau-Weiß Wulfen aufsteigen
Fünf Jahre saß Fasselt auf der Bank der Wulfener, da bekamen die Blau-Weißen prominenten Zuwachs. Kein geringerer als Willi „Ente“ Lippens heuerte beim damaligen Kreisligisten an. „Unser Kassierer Günther Müller hatte damals Kontakt zu ihm“, erzählt Fasselt.
„Ente“ saß nach dem Abstieg in die Kreisliga fortan auf der Bank. Mit dem klaren Ziel vom Vereins-Vorstand: Aufstieg in die Bezirksliga. „Ein Spiel haben wir in der Saison verloren“, erinnert sich Fasselt. Und ganz „unschuldig“ war der Kult-Kicker von Rot-Weiss Essen an der direkten Rückkehr in die höhere Spielklasse nicht. „Hemd, Hose und Stutzen lagen für Willi immer auf der Bank bereit. Und wenn es dann eng wurde, hieß es immer: ‚Die Nummer acht muss raus!’ Alle haben sich gewundert, warum es immer die Nummer acht getroffen hat“, muss Fasselt grinsen.
Die Lösung lag aber schließlich auf der Hand: „Der war der einzige, der Willis Schuhgröße hatte.“ In den folgenden zwei Spielzeiten mischte Wulfen sogar um den Aufstieg in die Landesliga mit, allerdings ohne den Flügelstürmer von der Hafenstraße. „Vielleicht lag es auch daran. Mit seinem Nachfolger Gerd Meier haben wir es in der Saison danach dann geschafft“, berichtet Fasselt.
Noch einmal aufsteigen – für die Erfüllung dieses großen Wunsches würde Wulfens Urgestein alles geben. „Wir spielen mindestens eine Klasse zu tief“, findet er. Und er fordert die Spieler. „Wenn sie die Linie überqueren, muss das Hemd nass sein“, lässt er seine Motivation durchblitzen und dann nimmt er sich ein wenig selbst aufs Korn: „Sonst hätte ich ja keinen Job!“
Bei den meisten Spielern hilft ein bisschen Glaubensspray
Ein wenig untertrieben ist das schon. Schließlich ist Fasselt nicht nur für den Look der Wulfener zuständig, sondern auch für die Erstversorgung bei Verletzungen. In der Sportschule Kaiserau hat er einen Kurs belegt, wie er eingreifen muss, wenn es auf dem Platz mal knallt. „Bei den meisten Spielern hilft ein bisschen Glaubensspray“, zwinkert er.
Wie lange er noch machen will, weiß er nicht. Ab und an denkt er ans Aufhören. „Bei den Jungs zu sein, hält mich aber jung. Es sind feine Kerle, zwischen denen ich gar nicht mehr merke, dass ich schon 65 Jahre alt bin“, witzelt der ewige Betreuer. „Es soll am Ende aber nicht so sein, dass ich an der Ballpumpe umkippe.“. Irgendwann wird ihn seine Tochter Manuela ablösen. „Ich führe sie schon langsam an den Job heran. Daran haben sich schon alle gewöhnt.“ Und wenn Fasselt dann doch einmal zu lange nachdenkt, gibt es eben den nächsten Schubser von Ehefrau Karola.