Joachim Löw saß schon längst im Bus, der überragende Marco Reus joggte unbehelligt an den Journalisten vorbei - nur Marcel Schmelzer wurde auch eineinhalb Stunden nach dem Abpfiff belagert und bedrängt. Selten war es ein Abwehrspieler, der nach einem Länderspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft derart im Fokus stand. Ins Rampenlicht gestellt hatte ihn mit "unglücklichen Aussagen, die so sicherlich nicht gemeint waren" (Manager Oliver Bierhoff), ausgerechnet der Bundestrainer.
Und Marcel Schmelzer war nach dem 6:1 im WM-Qualifikationsspiel gegen Irland in Dublin nicht nur zutiefst erleichtert, er war auch bestens vorbereitet. Ob Radio, Fernsehen oder schreibende Presse - seine Aussagen glichen sich fast aufs Wort. "Es war anders als ein normales Spiel für mich", sagte der 24-Jährige, "ich habe aber vor und während des Spiels sehr viel Unterstützung bekommen. Nicht nur von der Mannschaft, sondern auch vom Trainer und aus Dortmund. Das hat mir viel Kraft gegeben." Er sei der Mannschaft "sehr dankbar".
Das konnte er auch sein. Einerseits passierte auf der linken Abwehrseite, auf der es laut Löw wenige Alternativen für Marcel Schmelzer gibt, so gut wie nichts. Andererseits wurde Schmelzer von den Kollegen wie ein Torschütze bejubelt, selbst wenn er eine wenig brenzlige Situation nur zu einem Eckball geklärt hatte - wie in der 3. Minute.
Auch nach dem Spiel wurde der Dortmunder fast verhätschelt. "Schmelle ist ein sehr guter Junge", sagte Doppel-Torschütze Marco Reus direkt nach dem Abpfiff, "für ihn hat es mich ungemein gefreut. Wir stehen alle hinter ihm." Ein solides Spiel und eine Stolpervorlage zum 1:0 durch Reus (32.) genügten, um von den Führungskräften der Nationalmannschaft lobend hervorgehoben zu werden - Aufbauhilfe nach den Turbulenzen der vergangenen Tage.
"Marcel hat gut gespielt, er hat absolut seine Aufgabe erfüllt", sagte Löw, der zudem erklärte, er sei in seiner Kritik an Schmelzer "etwas falsch verstanden" worden. "Ich habe gesagt, dass wir ihm weiterhin vertrauen - und das zurecht. Er hat gute Fähigkeiten", sagte der 52-Jährige, räumte aber ein: "Manchmal dauert es eben etwas länger, den Sprung international ganz nach oben zu schaffen und stabil zu sein. Ich habe auch noch mal mit ihm gesprochen."
Zur Sicherheit hatte vor dem Spiel auch BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) interveniert. Und das anscheinend in aller Deutlichkeit. "Ich fand die Kritik komplett kontraproduktiv. Ich habe mich darüber geärgert und habe diesem Ärger auch Ausdruck verliehen", sagte Watzke den Ruhr Nachrichten. Löw sei allerdings in einer "Drucksituation", er werde von allen Seiten attackiert. Da dürfe er auch mal überreagieren.
Schmelzer jedenfalls reagierte nicht über, auf und neben dem Platz löste er die ungewöhnliche Situation souverän. "Es war doch schwierig vor dem Spiel", sagte er, "aber ich möchte darüber auch nicht viel reden. Ich habe versucht, mein Spiel durchzuziehen."
Das ist Marcel Schmelzer gegen einen allzeit harmlosen Gegner gelungen, doch die Hürden werden nicht niedriger. Am Dienstagabend (20.45 Uhr/ARD) wird er es in Berlin mit Schwedens Superstar Zlatan Ibrahimovic aufnehmen müssen, in der Champions League kommen Spiele gegen Real Madrid und Manchester City auf ihn zu.
Aber spätestens in Dortmund hat Schmelzer wahrscheinlich mehr Ruhe. Die begehrtesten Interviewpartner werden dort wieder andere sein.