Beim Aufbau einer schlagkräftigen Nationalmannschaft für die "Heim-WM" 2006 kann der neue Bundestrainer nicht mehr auf die Dienste von Jens Jeremies zurückgreifen. Knapp drei Wochen nach dem vorzeitigen Scheitern bei der Euro in Portugal hat der Mittelfeldspieler seinen Rücktritt aus der deutschen Nationalmannschaft erklärt. Die Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land ist für ihn kein Ziel mehr. "Ich habe jetzt 55 Länderspiele, es kommt sicher keines mehr dazu", sagte der 30 Jahre alte Profi von Bayern München am Freitagmittag am Rande seiner ersten Trainingseinheit beim deutschen Rekordmeister nach der Rückkehr aus seinem verlängerten Urlaub.
Jeremies ist nach DFB-Teamchef Rudi Völler der erste Spieler des EM-Kaders, der aus dem Vorrunden-Aus in Portugal die Konsequenzen zieht. Womöglich ist eine gehörige Portion Frust dabei. Denn noch im vergangenen November hatte "Jerry" im Anschluss an die geglückte Qualifikation der Nationalmannschaft für die EM-Endrunde in Portugal zuversichtlich und gewohnt kampfeslustig erklärt: "Ich möchte so lange wie möglich dabei bleiben. Mein Traum ist die WM 2006 im eigenen Land."
Volle Konzentration auf Bayern München
Nach der Euro aber dachte Jeremies um. Er habe in den "letzten Tagen" beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) angerufen und "mitgeteilt, dass ich nicht mehr zur Verfügung stehe", berichtete Jeremies. Da es ja derzeit keinen Bundestrainer gebe, habe er seine Entscheidung nur dem für die Nationalmannschaft zuständigen DFB-Direktor Bernd Pfaff mitgeteilt.
Für seine Entscheidung hätten "sicherlich mehrere Gründe eine Rolle gespielt", sagte der gebürtige Görlitzer. Zum einen sei "jetzt der richtige, ein guter Zeitpunkt, dass auch andere Spieler spielen." In den "nächsten zwei Jahren" wolle er zudem mit dem FC Bayern, bei dem er bis Juni 2006 unter Vertrag steht, "viel erreichen, gerade in der Champions League", sagte der Vizeweltmeister von 2002.
Bei der EM nur eine Nebenrolle
Bei der Nationalmannschaft, wo er am 15. November 1997 gegen Südafrika (3:0) in Düsseldorf seinen Debüt gefeiert hatte, gehörte Jeremies in den vergangenen knapp sieben Jahren regelmäßig zum Kader - einen Stammplatz konnte er sich aber zuletzt nicht mehr erkämpfen. In Portugal kam er erst im letzten Vorrundenspiel gegen Tschechien (1:2) zum Einsatz - als Einwechselspieler ab der 86. Minute für den 19 Jahre alten Klub-Kollegen Bastian Schweinsteiger. Das 1:5 gegen Rumänien war einige Wochen zuvor sein letzter DFB-Auftritt von Beginn an.
Mit der Auswahl des DFB nahm Jeremies an zwei EM-Endrunden (2000 und 2004) und an zwei WM-Turnieren (1998 und 2002) teil. Beim WM-Finale gegen Brasilien (0:2) war er bei Teamchef Völler noch erste Wahl. Danach hatte Jeremies aber auch bei den Bayern Probleme, sich in die erste Elf zu spielen.
Völler lobt: "Es ist wichtig, wie er Fußball arbeitet"
Immer wieder musste der gelernte Industrie-Mechaniker in den vergangenen Jahren Kniebeschwerden Tribut zollen, die ihn seit Februar 2001 plagten. Damals opferte er sich förmlich auf: Nur zwölf Tage nach einer Knieoperation spielte er in den zwei Champions-League-Halbfinalpartien gegen Real Madrid (1:0/2:1) überragend, das Finale aber erlebte er nur in Zivil - das Knie schien danach dauerhaft kaputt.
"Wenn ich fit bin, spiele ich - dann kommt keiner an mir vorbei", beteuerte Jeremies noch in der vergangenen Winterpause in der Bundesliga. Doch auch in der folgenden Rückrunde kam er nur in sieben Partien von Beginn an zum Einsatz. Für Völler war er dennoch ein wichtiger Bestandteil der Nationalmannschaft. "Jens ist ein Spieler, der allein durch sein Auftreten vor dem Spiel und im Spiel die Mannschaft mitreißt. Es ist wichtig, wie er Fußball arbeitet", sagte der Ex-Teamchef noch kurz vor der missratenen Euro.