An deutschen Stammtischen wurde vorschnell gestöhnt, bei dem nervtötenden Lärm könne man auf das TV-Ereignis WM besser ganz verzichten und die Medien waren voll mit Artikeln über die unbekannten Stimmungsmacher. Spaniens Xabi Alonso berichtete gar, dass die Spieler sich selbst unten auf dem Platz kaum mehr verständigen könnten. Aber wie laut sind Vuvuzelas wirklich? Haben sie für das Gehör langfristig eine schädliche Wirkung? Mit diesen Fragen beschäftigte sich PD Dr. Benedikt Josef Folz (43), HNO-Arzt vom Medizinischen Zentrum für Gesundheit in Bad Lippspringe.
Dafür bezieht sich der Mediziner auf die Messungen eines Kollegen während des Confed-Cups. Die Ergebnisse sind beeindruckend. Steigt in einem mit 40.000 trötenden Zuschauern vollbesetzten Stadion die Stimmung, erreicht die Kulisse Werte von bis zu 140 Dezibel. „Das ist mit einer startenden Mondrakete zu vergleichen“, veranschaulicht Folz. „Nach etwa sechs Minuten wird es schmerzhaft.“ Die Südafrikaner sind allerdings dafür bekannt, das ganze Spiel über mächtig Betrieb zu machen.
Also ist Vorsicht geboten. Bei den Tests im Vorjahr wurden vereinzelt schon Hörminderungen von 20 bis 30 dB festgestellt, die aber glücklicherweise nicht von Dauer waren. Gerade wer weiß, dass er anfällige Ohren hat, etwa nach einem Hörsturz, sollte Abstand zu den Fanfaren halten und die Geräusche mit Ohrstöpseln dämpfen. Das verringere nach Einschätzung des Arztes die Gefahr, bleibende Schäden davon zu tragen, deutlich. „Im Arbeitsschutz wird auf Lärmbegrenzungen geachtet, in der Freizeit wird das aber oft vernachlässigt“, rät der Schalke-Sympathisant zu mehr Vorsicht.
Die im Vorfeld der WM ebenfalls oft beachtete Höhenluft in Südafrika hingegen spielt für den Fan dabei keine Rolle. Folz: „Erst ab 2.000 Metern Höhe muss man sich darüber Gedanken machen“. Das höchste Stadion befindet sich in Johannesburg in etwa 1.700 Metern über Normalnull.
Zwei Männer, für die die schönen Seiten der Vuvuzela überwiegen, sind Frank Urbas und Gerd Kehrberg, früher Geschäftsführer bei Rot-Weiß Oberhausen. Verständlich, schließlich halten sie die Exklusivrechte zur Produktion und zum Vertrieb innerhalb der EU. Für sie zählt: Die Tröten sind günstig zu produzieren, fallen auf und haben Kultpotenzial.
Der Lärm-Vorwurf ist für Kehrberg nicht neu: „Aus diesem Grund haben wir die ursprüngliche Vuvuzela weiterentwickelt.“ Die neue Version für den europäischen Markt beinhaltet einen Schalldämpfer. Damit der Krachmacher nicht als Schlaginstrument eingesetzt werden kann, besteht die Tröte jetzt zudem aus drei Einzelteilen. „Beim Aufprall ploppen die Teile auseinander. Das würde Verletzungen verhindern“, wischt der Geschäftsführer Sicherheitsbedenken beiseite.
Nachbesserungen, die für die in Deutschland produzierte Vuvuzela auch nötig waren, denn ansonsten wäre der Gebrauch in deutschen Stadien wohl eingeschränkt worden. Immerhin: Das „Dreiteiler“-Konzept wurde in Südafrika mittlerweile übernommen. Die Idee, Vuvuzelas auch in Europa salonfähig zu machen, kam den Geschäftsmännern bei einem Eishockey-Spiel der Düsseldorfer MetroStars. Als von der letzten Südafrika-Reise erzählt wurde, wurde auch von der einzigartigen Fußball-Stimmung geschwärmt. Das war vor anderthalb Jahren und die Entscheidung hat sich längst rentiert. Bereits vor der WM wurden die Tröten in mehrstelliger Millionenhöhe unters Volk gebracht, wie Kehrberg verrät.
Was bleibt, ist der Krach. Vom Gesetzgeber ist im Bundes-Immissionsschutzgesetz für Sportanlagen außerhalb des Stadtgebiets ein Richtwert von 65 dB vorgesehen. Das liegt deutlich unter den beim Confed-Cup gemessenen Werten. Die Richtlinie darf von Großveranstaltern allerdings bis zu 18 Mal im Jahr überschritten werden. Mit etwas Rücksicht steht dem lautstarken Jubel also auch hierzulande nichts im Wege. Und wen die Tröte daheim am Fernseher stört, der kann immer noch am Lautstärkeregler drehen.