Vielleicht gehen im Karl-Liebknecht-Stadion die Gedanken zurück an jene Mai-Nacht in Getafe vor 13 Jahren. In einem Elfmeter-Drama gewann Turbine Potsdam die Champions League. Am Samstag (13.00 Uhr), so scheint es kaum vermeidbar, steigen die glücklosen Nachfolgerinnen der gefeierten „Torbinen“ aus der Bundesliga ab. Es ist der Vollzug eines sportlichen Niedergangs eines Traditionsclubs im Frauen-Fußball.
Nach dem bitteren 1:6 gegen die TSG Hoffenheim muss Turbine gegen Bayern Leverkusen gewinnen. Nicht einmal ein Remis reicht noch, da die verbliebene Konkurrenz des 1. FC Köln und SV Meppen am Sonntag gegeneinander spielt. Aktuell stehen die Brandenburgerinnen auf dem letzten Tabellenplatz mit sieben Punkten Rückstand auf den 1. FC Köln auf dem Nichtabstiegsplatz - die zweite Liga ist schon lange eine reale Drohkulisse. Wie es dort sportlich und ökonomisch weitergeht, ist offen.
Selbst bei einem Sieg gegen Bayer - derzeit Tabellenfünfter - wäre es eines der größten Fußball-Wunder, sollte Turbine noch erstklassig bleiben. An den noch ausstehenden Spieltagen müssten auch noch Spitzenclub Eintracht Frankfurt (21. Mai) und der designierte Meister Bayern München (28. Mai) geschlagen werden.
Köln, Leverkusen, Frankfurt, München - die Namen der Konkurrenz verdeutlichen Potsdams Problem. Praktisch alle Gegnerinnen in der Bundesliga können mittlerweile auf das Gerüst eines Männer-Bundesligisten vertrauen. Die ökonomische und strukturelle Übermacht ist nicht zu übersehen. Die zweimaligen Europapokal-Siegerinnen aus Potsdam sind aus der Zeit gefallen. Die längst wieder aufgekündigte Kooperation mit Hertha BSC war eher ein Kompromissgeschäft. Um Turbine herum rüsten Union Berlin, die Hertha und auch Viktoria Berlin mit einem ehrgeizigen Projekt im Frauen-Fußball auf.
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg bedauert die Entwicklung und sieht einen Trend bestätigt. „Das wäre natürlich ein Verlust, weil Potsdam den Frauenfußball extrem geprägt und für internationale Erfolge gesorgt hat“, sagte die 55-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.
Der 1971 gegründete Verein verliert immer mehr an Glanz - und das, obwohl die Brandenburgerinnen zu einem dem erfolgreichsten Frauenfußballvereinen in Deutschland zählen. Die erste internationale Aufmerksamkeit erlangte Turbine im Jahr 2005, als das Team den UEFA Women's Cup - die Vorläuferin der heutigen Champions League - gewann. In den Jahren darauf folgten weitere nationale und internationale Titel, darunter sechs Deutsche Meisterschaften und dreimal der DFB-Pokal. Und natürlich die magische Nacht 2010 in Getafe mit dem Königsklassen-Sieg im Elfmeterschießen gegen Olympique Lyon.