Brachial formuliert, steht der FCR 2001 Duisburg vor der Perspektive, die Spielzeit mit platziertem uns stolzem Lorbeer auf dem Haupt zu krönen oder am Ende der Saison lediglich den Schlapphut tief in die Stirn zu ziehen und brummig vom Parkett zu schleichen. Klar ist, pragmatisch gesehen, die Wahrscheinlichkeit, im Berliner Pokalfinale zu stehen, ist größer, ein Match muss noch gewonnen werden. Alerdings gegen den amtierenden Deutschen Meister 1.FFC Frankfurt, der am Sonntag, 26. März zum Gipfeltreffen im PCC-Stadion gastiert. Die andere Vorschlussrunde in der Cup-Konkurrenz bestreiten Titelverteidiger Potsdam und München. Dietmar Herhaus, Duisburgs Trainer seit dem Start der Spielzeit: "Das sind alles schwere Duelle. Wir wollen nach Berlin, von daher war ein Heimspiel wichtig." Wie gesagt: Pragmatisch! In der Meisterschaftsrestrunde muss die Herhaus-Truppe alle Matches gewinnen, insbesondere die Duelle gegen den 1.FCC (dramatisch-stilgerecht am letzten Spieltag, Montag, 5.Juni im Homberger PCC-Stadion) und Potsdam (Sonntag, 23.April, bei Turbine), um die bisherigen Remis in München (0:0), beim 1.FFC Frankfurt (2:2) und Freiburg (2:2) sowie zuhause gegen Turbine (0:0) völlig auszumerzen: Titanenarbeit, allerdings auch pragmatisch gesehen. Grund genug, sich mit dem Ex-Kölner Herhaus - der vor der Spielzeit den Sprung aus der Regionalliga in die Eliteklasse vollzog - zu unterhalten.
Dietmar Herhaus, der FCR gehört zum Spitzentrio der Bundesliga - Gold, Silber, Bronze, was wird es? Ich wiederhole mich gerne: Nach oben setzen wir uns kein Limit!
Wie groß wäre die Enttäuschung, wenn es nicht die edelste Ausbeute gäbe? Wenn wir unsere bestmögliche Leistung bringen können und uns dann einem Besseren geschlagen geben müssten, wäre dies kein Grund enttäuscht zu sein.
Die Matches gegen den 1.FFC Frankfurt und gegen Potsdam endeten jeweils mit einem Remis: Ist das definitionslogisch Augenhöhe? In den besagten Spielen trifft dies zu. Die Mannschaft muss allerdings lernen, dass die vermeintlich leichteren Aufgaben mit der gleichen Disziplin, Konzentration und Hingabe angegangen werden müssen. Da reicht das Wissen um die eigene Begabung nicht aus. Und deshalb haben Potsdam und der 1.FFC zur Pause Punktvorsprung.
Was klappte im letzten halben Jahr nicht? Die Kaffeemaschine im Mannschaftsbus.
Was war besonders positiv? Die Unterstützung durch unsere Fans bis in jeden Winkel dieser Republik.
Es gibt immer Spielerpersönlichkeiten in einer Mannschaft, wen betont der Trainer außer das Kollektiv? Silke Rottenberg, Iris Flacke, Annemieke Griffioen, Inka Grings.
Sehen Sie konkrete Gefahr, dass ein Urgestein wie Inka Grings oder eine Shelley Thompson tatsächlich den Club verlassen? Immer, wenn Verträge auslaufen, besteht die Möglichkeit, dass auch solche Spielerinnen den Verein verlassen.
Welche Gründe - wenn man die Gesamtentwicklung der Liga und der einzelnen Clubs betrachtet - wären für Sie nachvollziehbar für einen Abgang solcher Hochkaräter? Wenn jemand nach neun Jahren in der Bundesligaspitze eine neue Herausforderung im Ausland suchen würde, wäre das sicherlich nachvollziehbar. Ein finanzieller Quantensprung inklusive einer beruflichen Absicherung nach der Karriere ebenfalls.
In der letzten Saison gab es mächtig Unruhe im Club, wie ruhig ist der FCR in dieser Spielzeit? Über die letzte Saison kann ich nicht urteilen. Meinungsverschiedenheiten und Spannungen treten überall dort auf, wo Menschen erfolgsorientiert zusammenarbeiten. So auch beim FCR. Wichtig ist, dass die interne Kommunikation nie abreißt und Einigkeit über die gesetzten Ziele besteht.
Haben Sie den Club mit seinen Facetten bereits komplett durchschaut? Dies nach einem halben Jahr von sich zu behaupten, wäre eine Anmaßung.
Eine Gruppe kennt immer auch Konflikte: Wie sind Sie mit der Lösung dieser im letzten halben Jahr zufrieden? Überall dort, wo es nicht um persönliche Eitelkeiten ging und Ehrlichkeit die Gesprächsgrundlage war, konnten zufriedenstellende Lösungen erzielt werden.
Kein Mensch ist fehlerfrei. Mussten Sie Sich auch schon welche eingestehen in den letzten Monaten? Wenn ja, welche darf man durchaus nennen? Fehler, auch die eines Trainers, werden intern besprochen. Dies ist auch geschehen. Ein Fehler, den ich öffentlich benenne? Nun, ich hätte Inka im Spiel gegen Potsdam verbieten sollen, den Elfer selbst zu schießen.
Wie authentisch sind Sie als Coach? Wieviel Überzeugungen musste Sie im letzten halben Jahr über Bord werfen? Haben auch Sie den Ligasprung ohne Schrammen überstanden? Über Bord geschmissen habe ich keine meiner Überzeugungen. Sonst wären es ja keine gewesen. Die Einsicht, dass man einer Gruppe hochbegabter Fußballerinnen die Wirklichkeit des Grundsatzes "Wer glaubt, etwas zu sein, hört auf etwas zu werden" nicht in drei Monaten überstülpen kann, hat mich unabhängig von der Liga zwar keine Schrammen, wohl aber ein paar graue Haare mehr als nötig gekostet.
Wie gut ist der Verein auch administrativ aufgestellt? Was fehlt? Wir wollen uns immer weiterentwickeln. Und die Weichen dafür scheinen mir gestellt.
Ihre selbstgesetzte Messlatte war vor der Spielzeit: Titel. Haben Sie noch die Chance, zwei zu holen? Natürlich. Übrigens habe ich weder über die Anzahl noch über den Zeitpunkt gesprochen.
Wenn kein Lorbeer herausspringt: Ist die Spielzeit dann ein Schlag ins Wasser? Darüber macht sich ein guter Trainer zum jetzigen Zeitpunkt keine Gedanken. Ich auch nicht.
Wo steht der Frauenfußball jetzt und wo in drei Jahren? Er wird immer im Schatten des Männerfußballs stehen. Hoffentlich mit etwas mehr Medienpräsenz als heute.
Wie funktioniert der Austausch unter den höherklassigen Revier-Clubs: SGW, SGL, SGS, FCR? Fachgespräche unter Trainerkollegen, Absprache von Vorbereitungsspielen. Ansonsten eine von gegenseitigem Respekt geprägte Konkurrenzsituation.Oliver Gerulat