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Münster: Häftlinge werden Schiedsrichter
JVA bietet Schiri-Lehrgang an

Für einige Insassen der JVA Münster beginnt der Start in ein neues Leben - als Fußball-Schiedsrichter (Foto: Jenna Günnwig/WDR).
Für einige Insassen der JVA Münster beginnt der Start in ein neues Leben - als Fußball-Schiedsrichter (Foto: Jenna Günnwig/WDR).
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Auf dem Rasen sollen sie über Recht und Unrecht entscheiden. 21 Häftlinge der JVA Münster sind zu 21 Schiedsrichtern geworden. Eine Chance für das Leben nach dem Knast.

„Ein Torwart wirft einem Angreifer im Strafraum absichtlich den Ball ins Gesicht. Welche Entscheidung trifft der Schiedsrichter?“ Marcel überlegt, schreibt „Strafstoß“ auf den Bogen und kritzelt „Rot“ hinterher. Auf dem Spielfeld wäre das die richtige Entscheidung, hier im Seminarraum gibt die korrekte Antwort zwei Punkte. Insgesamt 21 junge Männer in Sportklamotten beugen sich über Bögen voll mit Fußballregeln. Es herrscht Klassenzimmeratmosphäre. Sprüche fliegen durch den Raum. Ganz vorne rechts, neben der Tafel sitzt Hans Voss. Er leitet den Schiedsrichterlehrgang hinter Gittern.

„Neuland“ nennt der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter den Kurs in der Justizvollzugsanstalt. Zusammen mit der JVA Münster und zwei Kollegen bildet er erstmals Häftlinge zu Unparteiischen aus. Vier Samstage lang. 16 bis 20 Stunden Theorie büffeln, Regeln lernen - und irgendwie auch Haltung vermitteln. Denn auf dem Platz gehe es vor allen Dingen um die Persönlichkeit: „Du bist Ankläger und Richter gleichzeitig.“ Die Rolle ist für die Männer hier auch ein bisschen Neuland. Doch sie vertrauen dem 80-jährigen Voss. „Am zweiten Tag wusste schon einer, dass ich mal das Spiel Kaiserslautern gegen München gepfiffen habe“, schmunzelt der Ausbilder.

Der Ball ist rund - das Knastleben eintönig

Fußball gilt als schönste Nebensache der Welt - da draußen. Im Knast wird die Nebensache zur Hauptsache. Ständig Sportschau, Fußballturniere, Fachsimpelei. „Und beim Länderspiel wird es richtig laut“, erzählt Marcel. Der 29-Jährige will unbedingt Schiedsrichter werden. Hans Voss ist von dem „Eifer“ der Gefangenen begeistert. „Die wollen einfach mehr.“ Für die Kreisligen wären die neuen Schiedsrichter ein Segen. Allein im Kreis Münster-Warendorf fehlen 80 Unparteiische. „Schiris werden an allen Ecken und Enden gesucht“, betont Voss.

Doch am Anfang musste Heinz Seeger die Gefangenen von seiner Idee überzeugen. Der Sportkoordinator der JVA hatte von einem ähnlichen Projekt in der JVA Siegburg gehört und Kontakt mit dem Deutschen Fußball-Bund geknüpft. Die unterstützen das Projekt, die Kosten des Kurses werden von der JVA getragen. Am Ende ist Seegers Euphorie auf die Gefangenen übergeschwappt. Alle haben den Kurs durchgezogen und sich abends in den Flügeln gegenseitig abgefragt. Hans Voss und Heinz Seeger wollen vielleicht schon im Herbst den nächsten Kurs anbieten.

Diplomatie auf dem Rasen

Wie sich die Häftlinge letztendlich auf dem Rasen bewähren werden, weiß noch niemand. Seeger glaubt an die Männer und betont, dass sie nach dem Kurs nicht verpflichtet sind, zu pfeifen: „Was ihr draußen damit macht, das ist eure Sache.“ Doch für die meisten hier gilt: Nach dem Knast ist vor der Schiri-Laufbahn. Viele der Teilnehmer sind in ein paar Monaten straffrei. Sie sollen durch den Schiedsrichterschein eine Möglichkeit bekommen, ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten. Der Leiterin der Justizvollzugsanstalt Maria Look geht es darum, „Anschluss an einen Sportverein zu finden“.

50 von 60 Punkten brauchen die Männer, um Schiedsrichter zu werden. Und schnell sprinten müssen sie können: über 50, 100 und 1.000 Meter. „Alle bestanden“, heißt es am Ende. Klopfen, Jubel und Hans Voss lobt die Gruppe: „Nach meiner Erfahrung sausen eigentlich immer ein, zwei durch.“ Dabei wurden keine JVA-Ausnahmen gemacht, Voss betont, dass streng nach den einheitlichen Vorschriften geprüft worden ist. Marcel ist überglücklich: „Ich hab damit überhaupt nicht gerechnet.“ Im Oktober will der 29-Jährige endlich wieder draußen sein und bei Preußen Münster auf dem Platz stehen - als Schiedsrichter.

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