“Nein“, sagt Christof Wieschemann knapp. Der Bochumer Anwalt mit dem Schwerpunkt Sportrecht weist auf § 8 im DFB-Regelwerk hin. Von „Sperren auf Dauer“ ist dort die Rede, was ein bürokratisches Ersatzwort für das etwas pathetische „lebenslang“ ist. Die Bochumer Spruchkammer urteilte also nicht revolutionär. In allen DFB-Landesverbänden werden solche Sperren von Zeit zu Zeit ausgesprochen. In Köln machten mehrere brutale Attacken gegen Schiedsrichter vor einigen Jahren Schlagzeilen, in Berlin lieferten sich vor wenigen Monaten einige Hobby-Fußballer einen Kampf mit Brotmesser und Eckfahne, was ihre „Karriere“ vorzeitig beendete.
„Es sollte immer die letzte Möglichkeit sein“, meint Wieschemann. Dies sei im konkreten Fall gegeben, bei dem Kicker des Vereins Inter Bochum auf einen am Boden liegenden eintraten. Einen regelmäßigen Gebrauch der Langzeit-Sperren hält er aber für nicht angebracht. „Dann würde diese Maßnahme zum Gegenstand öffentlicher Diskussion und dadurch entwertet werden.“
Der Haupttäter ist durch den Sportrichter-Spruch für alle Vereine und Klassen im Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen (FLVW) gesperrt. Theoretisch dürfte er also in einem anderen Landesverband wieder auflaufen. „Es gibt aber Vorschriften zur Harmonisierung“, sagt Wieschemann. Beantragt der verurteilte Akteur in einem Nachbarverband eine Spielberechtigung, erhält dieser sofort Meldung von der Sperre. „Da gibt es keine Schlupflöcher“, erklärt der Bochumer Anwalt.
Allerdings sieht die DFB-Ordnung einen „Gnadenerweis“, also eine Art Bewährung, vor. Die Gesperrten werden in ihrem sozialen Werdegang beobachtet. Frühestens nach zwei Jahren kann das Verbandspräsidium die Sperre aufheben, sofern es die Chance auf Besserung sieht. Dies ist allerdings nicht einklagbar und wird nur in Ausnahmefällen angewendet. Für den Bochumer „Brutalo“ dürfte der Weg zur Bewährung wohl lang sein.
Die Vereine, in deren Namen diese Fouls am Fair-Play-Gedanken vorbei begangen werden, bezahlen dafür mit ihrem Ruf. Sie geben sich machtlos, häufig werden die Übeltäter direkt nach ihrem Vergehen aus dem Verein geworfen. Allerdings liegt das Grundproblem tiefer. Verbandsfunktionäre und Sportpädagogen fordern daher eine noch stärkere Null-Akzeptanz-Haltung gegenüber Gewalt auf dem Fußballplatz. Was die Schwere des Falles in Bochum angeht, sieht Christof Wieschemann eine neue Qualität erreicht. „Das ist aber eine Phänomen, was sich in allen Bereichen der Gesellschaft zeigt“, betont der Richter am Deutschen Schiedsgericht für den Sport.
Gesondert stellt sich die Frage nach den zivilrechtlichen Folgen solcher Vorfälle. „Nicht für jede Verletzung kann man Schadensersatz verlangen“, betont Wieschemann. Nur für ein absichtliches Foul oder einen gezielten Schlag könne Schmerzensgeld eingeklagt werden. In jedem Fall müssten die Beweise neu gesammelt werden. „Aber für solche Dinge auf dem Sportplatz gibt es ja meistens genügend Zeugen“, erklärt der 45-Jährige Jurist.