Bundesregierung, Verbandschef, Menschenrechts- und Fan-Organisationen: Für ihren Protest gegen Menschenrechtsverletzungen im nächsten WM-Gastgeberland Katar hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft viel Lob erhalten. Die Mannschaft habe damit noch einmal klar gemacht, für welche Werte sie stehe, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. „Natürlich ist das etwas Gutes, weil die Nationalmannschaft ein - wenn ich mal so sagen darf - gutes Stück Deutschland ist. Damit ist es gut, wenn sie sich zu den Werten unserer freiheitlichen Demokratie auch bekennt.“ Dies sei gerade in Zeiten gut, in denen die Demokratie weltweit nicht gerade auf dem Vormarsch sei, sagte Seibert.
DFB-Präsident Fritz Keller äußerte sich lobend und „sehr stolz“. In einem Interview auf der DFB-Homepage sagte er: „Ich war begeistert, als ich das Ergebnis gesehen habe, wie die Spieler selbst ihre Trikots bemalt haben. Wir haben schon öfter gesagt: Wir wünschen uns mündige Spieler. Ich finde es großartig, dass sie diese Aktion getragen haben, dass wir wieder Spieler haben, die sich engagieren und denen es nicht egal ist, was auf der Welt passiert.“
Sanktionen des Weltverbandes müssen Leon Goretzka & Co. nicht fürchten. „Die FIFA glaubt an die Meinungsfreiheit und an die Kraft des Fußballs, den positiven Wandel voranzutreiben“, teilte der Weltverband mit. Es werde - wie auch bei einem Protest von Norwegens Nationalspielern am Vortag - kein disziplinarisches Verfahren eingeleitet. Die Äußerung von Botschaften zum Beispiel politischer Natur war in den vergangenen Jahren immer wieder ein Streitthema.
„Diese Aktion in der Nationalmanschaft setzt ein wichtiges Zeichen für die Lage in Katar und erhöht den Druck auf die Regierung“, sagte Sprecher Wolfgang Büttner von Human Rights Watch. Der Deutsche Fußball-Bund müsse nach Ansicht der Organisation weiter Druck ausüben, damit es vor der Weltmeisterschaft 2022 in Katar zu Verbesserungen der Arbeiterrechte kommt, ergänzte Büttner. „Eine solche Aktion geht in die richtige Richtung, aber unserer Meinung nicht weit genug“, sagte Sig Zelt von der Organisation „Pro Fans“.
Die Nationalspieler hatten sich zum Mannschaftsfoto vor dem 3:0-Sieg in der WM-Qualifikation gegen Island mit schwarzen Shirts und der Aufschrift „Human Rights“ (Menschenrechte) präsentiert. „Wir haben natürlich die WM vor uns. Darüber wird immer wieder diskutiert. Das möchten wir der Gesellschaft klarmachen, dass wir das nicht ignorieren. Dass wir ganz klar sagen, was für Bedingungen da herrschen müssen“, sagte Nationalspieler Goretzka.
Bundestrainer Joachim Löw stufte die Botschaft seiner Profis als „wichtiges Zeichen“ ein. „Die Spieler haben es am Spieltag noch größtenteils selber auf die Trikots gezeichnet“, berichtete der 61-Jährige. Das demonstriere klar, „dass wir für alle Menschenrechte, egal wo auf der Welt, einstehen, dass das unsere Werte sind“.
Im Gegensatz zu Human Rights Watch, die einen Boykott ablehnen, spricht sich „Pro Fans“ für eine Nicht-Teilnahme in Katar aus. Das Emirat steht als WM-Gastgeber 2022 immer wieder wegen der Ausbeutung von Gastarbeitern in der Kritik. Nach Recherchen des „Guardian“ sind in den vergangenen zehn Jahren mehr als 6500 Gastarbeiter aus fünf asiatischen Ländern gestorben. Katars Regierung erklärte, dass sie in den vergangenen Jahren mit Reformen die Lage der Arbeiter deutlich verbessert habe. Menschenrechtler räumen Fortschritte ein, mahnen aber, die Reformen würden unzureichend umgesetzt.
DFB-Chef Keller kündigte an, dass die DFB-Position zur WM 2022 ein Thema bei der nächsten Präsidiumssitzung im April sein werde. „Ziel ist eine gemeinsame Haltung des deutschen Fußballs“, sagte der 63-Jährige und kündigte an: „Selbstverständlich müssen und werden wir weiter unsere Stimme erheben.“ Ein Boykott der Endrunde im nächsten Jahr sei beim DFB derzeit aber kein Thema. „Katar hat viele Reformen angestoßen, es gibt sichtbare Fortschritte, die zwar noch lange nicht ausreichen, die aber ein Boykott möglicherweise wieder zunichtemachen würde“, sagte Keller. Er glaube an die verbindende Kraft des Sports.
Dieser könne zwar nicht alle Missstände überwinden, „an denen selbst die Politik scheitert“, sagte Keller. „Er kann und muss im Rahmen von Großereignissen wie einer Weltmeisterschaft aber helfen, das Licht der Öffentlichkeit darauf zu lenken.“ dpa