Auf der über 600 Kilometer langen Rückreise von seinem Urlaubsort Usedom kam Bernard Dietz im Laufe des Sonntags an mehreren Städten vorbei, die der MSV Duisburg in der kommenden Spielzeit sportlich ansteuern muss: Rostock, Bremen, Osnabrück, Lotte, Münster.
Seit 2011 zählt „Ennatz“ Dietz beim MSV zu den wichtigsten Entscheidungsträgern. Umso verwunderlicher war es für den Kapitän der Deutschen Europameistermannschaft von 1980, dass er über die Streichung der Duisburger Oberliga-Reserve nicht aus erster Hand informiert wurde, sondern erst davon erfuhr, als die offizielle Klubmitteilung längst publik gemacht wurde.
„Die Gremien des MSV haben nach intensiver Abwägung deshalb auch übereinstimmend den Entschluss gefasst, die bisher in der Oberliga spielende U 23 nicht mehr aufrecht zu erhalten; das Team wird ab der neuen Saison nicht mehr an den Start gehen“, heißt es in der Pressemitteilung, die der MSV verschickte und auf seiner Homepage im Archiv verankerte. Mit der „Einstimmigkeit“ ist das so eine Sache – Bernard Dietz, der den Unterbau des MSV selbst vier Jahre lang mit großem Engagement als Trainer betreute, gilt seit Jahren als Verfechter eines soliden Unterbaus und kann sich mit der Entscheidung, das Nachwuchsreservoir zu streichen, deswegen nicht anfreunden.
Durch die 3. Liga marschierst du nicht mal ebenso durch
Michael Tönnies
Nach seiner Rückkehr besteht erheblicher Gesprächsbedarf. Die Frage ist, ob „Ennatz“ Dietz ob der Entscheidung so angefressen ist, dass er eventuell sogar seinen Posten als Vizepräsident zur Verfügung stellt.
Die Summe, die der gerade aus der 2. Bundesliga abgestiegene Traditionsverein durch das Einstampfen seiner Reserve einspart, soll sich knapp über der 100.000 Euro-Grenze bewegen. Viele Kicker sollen sich bei den monatlichen Grundgehältern im 250-Euro-Bereich bewegt haben. Dass bei diesen Bedingungen viel Geduld erforderlich ist, bevor Rohdiamanten richtig funkeln können, versteht sich von selbst. „Dem MSV ist es zuletzt angesichts fehlender Mittel kaum mehr gelungen, talentierte Spieler aus der U 19 in die U 23 zu übernehmen“, heißt es in einer Passage der Pressemitteilung zum U-23-Aus. MSV-Manager Ivica Grlic sieht die Maßnahme, das Oberligateam zurückzuziehen, nicht als „Rückschritt“, sondern als „ersten und wichtigen Schritt, die Durchlässigkeit innerhalb des Vereins unter den veränderten Möglichkeiten seit 2013 wieder zu fördern.“ Dass die Jungprofis Ahmet Engin und Dominik Behr zur Winterpause aus dem Zweitligakader gestrichen und zurück in die eigene Reserve geschickt wurden, hat allerdings wenig mit der vielzitierten „Durchlässigkeit nach oben“ zu tun. Die Frage, inwieweit sich talentierte Kräfte, die mit der U-19-Bundesligamannschaft regelmäßig gegen den Abstieg kämpfen, den Schritt in die Duisburger Seniorenmannschaft ohne Netz und doppelten Boden schaffen sollen, dürfte spannend werden. Durch vermehrte „Talentspiele“ mit Nachwuchsleuten aus der U 19 und U 17 sowie die Einbeziehung ins Profi-Training soll die Kluft zur ersten Mannschaft künftig verringert werden.
„Durch die 3. Liga“, sagt Klub-Legende Michael Tönnies, „marschierst du nicht mal eben so durch. Es wird wieder ein Kraftakt. Leiden gehört beim MSV irgendwie dazu. Es geht immer irgendwie weiter.“ Diesmal nur ohne Unterbau.