Er ist hungrig auf dem Platz, entspannt neben dem Rasen und die Körpersprache verrät: Er hat sich etwas vorgenommen. Riemann: „Ich habe gut trainiert, ich fühle mich fit, ich kann mich nicht beklagen.“
Gut eine Woche vor dem Saisonstart gegen den FC St. Pauli ist der VfL-Schlussmann scheinbar mit sich selbst im Reinen. Nachdem er sich im ersten Jahr im VfL-Trikot im „Kicker“ in der Kategorie „herausragend“ befand, mag man ihn nach seiner Leistung in der abgelaufenen Saison gar nicht fragen – um dann überrascht zu werden, mit welcher schonungslosen Offenheit der Schlussmann sein Wirken einschätzt: „Meine zweite Spielzeit im VfL-Trikot bezeichne ich als katastrophal. Ich habe vielleicht in vier, fünf wichtigen Spielen gut gehalten, um die Punkte zum Klassenerhalt zu holen, aber der Rest von mir war eine einzige Katastrophe.“
Einmal über sich selbst in Rage, fügt er wütend hinzu: „Wenn ich noch einmal so eine schlechte Saison spiele, dann war es das mit Fußball für mich. Denn dann bin ich nicht glücklich und der Mannschaft helfe ich auch nicht. Es waren viele Tore dabei, die ganz allein auf meine Kappe gingen. Hätte ich nicht gepatzt, dann hätten wir sicher acht oder neun Punkte mehr und die Saison wäre ganz anders verlaufen.“
Konsequenzen ziehen
Nach so viel Negativerlebnissen hat Riemann versucht, das Erlebte zu verarbeiten: „Ich habe über die vergangene Saison viel mit meiner Frau geredet. Sie sagt – und da hat sie sicher recht – dass es in den letzten fünf Jahren bei mir leistungsmäßig immer stetig bergauf ging. Jetzt ging es zum ersten Mal bergab. Daraus muss ich nun als Profi die Konsequenzen ziehen, um es besser zu machen. Ich hoffe, dass mir dies in der kommenden Saison nicht noch einmal passiert.“
Mit der bisherigen Vorbereitung ist Riemann zufrieden. „Gegen Schachtjor Donezk, sicherlich bisher der stärkste Gegner aus dem Testspielprogramm, haben wir ein sehr gutes Spiel gemacht und waren mit dem Champions-League-Teilnehmer auf Augenhöhe, hatten dabei sogar die klareren Möglichkeiten.“ Aber bei der 0:2-Niederlage kreideten einige Anwesende Riemann zumindest eins der beiden Gegentore an. Doch so sehr er nicht vor Selbstkritik scheut, so vehement widerspricht er in diesem Fall seiner Mitschuld: „Den ersten Ball kannst du nicht halten. Der wird von 18 Metern draufgeknallt mit gefühlten 180 Stundenkilometern. So eine Fackel bekommst du nicht mehr.“
Neuer Glücksbringer
Aber: Die Ergebnisse der Vorbereitung sind für Riemann unwichtig: „Was nützt es, wenn wir den BVB 5:0 schlagen und gegen St. Pauli verlieren? Erst in einer Woche werden wir sehen, wo wir tatsächlich stehen.“ Der Trainerwechsel – und da ist der Torhüter froh – hat einerseits den Konkurrenzkampf noch einmal entfacht. Riemann: „Plötzlich wittert im Training jeder wieder seine Chance und ist hochmotiviert. Positiv ist auch, dass wir unser Spielsystem nicht verändert haben. So ist eine gewisse Stabilität garantiert.“
Riemanns Blick geht nach vorne: „Selbst unsere etablierten Stammkräfte haben noch einmal fünf bis zehn Prozent draufgelegt. Wir haben definitiv an Qualität gewonnen.“ Doch nach den Erfahrungen des letzten Jahres, fürchtet Bochums Nummer eins: „Verletzungen dürfen sich nicht mehr einstellen, denn außer dem FC Bayern München gibt es in Deutschland kein einziges Team, das solche Ausfälle, wie wir sie hatten, kompensieren kann.“
Die Sommerpause hat Riemann auch genutzt, um nach der standesamtlichen Hochzeit vor einem Jahr die kirchliche Hochzeit nachzuholen: „In kleinem Familienkreis mit ganz engen Freunden.“ Was sich optisch verändert hat, bleibt ein Geheimnis unterm Torwarthandschuh. Nach der standesamtlichen Trauung hatte er bei Spielen den Ehering abgelegt. Riemann mit einem Schmunzeln: „Die Saison verlief nicht so gut, deshalb bleibt der Ehering in dieser Saison am Finger.“ Vielleicht wird er ja der Glücksbringer für die Spielzeit 2017/18.