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Vorfreude auf VfL und Bochums Zeugwart

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Heerwagen: Vorfreude auf VfL und Bochums Zeugwart
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Der Augenblick, auf den er seit 31 Monaten gewartet hat, kam am vorletzten Freitag um kurz vor 19 Uhr:

Gegen Kaiserslautern rückte Philipp Heerwagen für die verletzte Stammkraft Robin Himmelmann ins Tor des FC St. Pauli – sein erstes Profispiel seit zweieinhalb Jahren. „Es war schön“, beschreibt er das ganz abgeklärt und benutzt dieselben Worte, die er schon mehrmals vorher in Gesprächen nach 90 Minuten auf dem hellgrünen Hartschalensitz der Ersatzbank gebraucht hat: „Heimspiel, Abendspiel, St. Pauli, Millerntor, einfach super“. Heerwagen, der Stellvertreter, trainiert intensiv und tut viel fürs Mannschaftsklima, darf aber selten im Wettkampf ran, doch auch als Ersatzmann sagte er immer: „Das kann man doch einfach nur genießen, ich bin richtig glücklich hier.“

Der frühere Torwart des VfL Bochum hielt gegen Lautern mit seinen Kollegen ein 0:0; die vielen Sprechchöre für ihn aber bekam er nicht mit: „Ich habe Videos vom Spiel geschickt bekommen, auf denen man die hört. Im Spiel selbst habe ich gar nichts wahrgenommen. Da sind dann die Sinne geschärft auf das, was auf dem Feld passiert.“ Mit dem Tabellenletzten folgte am letzten Sonntag ein 2:0-Sieg in Fürth und doch meint er ganz pragmatisch: „Es ändert sich ja nichts.“ Heerwagen trainiert und ist am Wochenende bereit. Dass er am Samstag gegen Bochum auf dem Spielfeld sein wird statt wie sonst auf der Bank vor der Westtribüne, für ihn nur ein marginaler Unterschied.


Viel stärker ins Gewicht fällt das Treffen mit alten Freunden: Andreas Pahl vor allem, den Zeugwart beim VfL („Er ist immer offen, immer hilfsbereit.“) oder Mannschaftsarzt Karl-Heinz Bauer, Physiotherapeut Frank Zöllner und aus dem Team Kapitän Patrick Fabian. Sie haben letztens mal telefoniert wegen einer karitativen Aktion, die beide unterstützen. Der Torwart ist ohnehin sehr sozial engagiert, im Verein Viva con Agua, der sich für bessere Lebensbedingungen auf der Welt einsetzt, treibt er ein Wasser- und Hygieneprojekt voran und war dafür mehrmals in Äthiopien. Der Fußballspieler ist an vielen Themen interessiert, für seinen Trainer Ewald Lienen „ein hochintelligenter Junge“. Thomas Ernst, ehemaliger Sportvorstand in Bochum, sieht in dem Torwart „nicht so den klassischen Profi. Er ist einer, mit dem man sich vernünftig unterhalten kann.“

Er ist nicht so der klassische Profi. Er ist einer, mit dem man sich vernünftig unterhalten kann.“

Bochums ehemaliger Sportvorstand Thomas Ernst

Seine Vernunft hilft ihm mit seiner Rolle klarzukommen. Trotz der Rolle als Ersatzmann gehört Heerwagen dem Mannschaftsrat an, ist für Lienen „eine unserer Führungsfiguren, einer, der die Richtung vorgibt“. Das hat bei Heerwagen Tradition. 2001 gewann er mit Philipp Lahm in der A-Jugend von Bayern München die deutsche Meisterschaft und Lahm beobachtete: „Philipp hat sich immer in die Mannschaft eingebracht.“

Weil an Oliver Kahn kein Weg vorbeiführte, wechselte der Nachwuchstorhüter zum Regionalligisten Unterhaching, stieg später in die zweite Liga auf und machte dort fast jedes Spiel. 2007 zog es Heerwagen eine Liga höher, nach Bochum. Vor fast sieben Jahren war er dort die Nummer eins, im Februar 2010 hatte der VfL Bochum nach dem 24. Spieltag neun Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge und verlängerte den Vertrag seiner Nummer eins zu guten Konditionen bis 2013. Danach holten die Westfalen aber nur noch einen Punkt aus zehn Spielen und stiegen an einem sonnigen Maisamstag 2010 ab. Danach verlor Philipp Heerwagen, 33 Bundesligaspiele und 138 in der zweiten Liga, seinen Stammplatz.

In der nächsten Saison drängte sich mit Andreas Luthe ein gebürtiger Bochumer als sportliche Alternative auf, und der VfL wollte den gut bezahlten Heerwagen gern loswerden, ohne dass ihm das jemand wirklich gesagt hätte. So fühlte sich der Torwart im besten Fußballalter wie eine Puppe in der wissenschaftlichen Forschung: "Ich bin hier nur der Trainingsdummy", sagte er im Frühjahr 2013. In den letzten sechseinhalb Jahren hat Heerwagen für Bochum und St. Pauli gerade 15-mal im Profiteam gespielt, nur viermal in den letzten vier Jahren. „Wahnsinnig bewundernswert“ findet das seine Schwester Bernadette Heerwagen, die Schauspielerin. Für die Grimme-Preisträgerin ist es eine Schreckensvision: „Ich stelle mir vor, ich käme täglich an den Set und wäre nur die zweite Besetzung.“ Ihrem Bruder attestiert sie daher „einiges an Charakter“. Eine Einschätzung, die viele teilen, auch Ewald Lienen, St. Paulis Trainer: „Das schafft man nur, wenn man eine Persönlichkeit ist.“

Die große Persönlichkeit verlor nie die Begeisterung für den Job, genießt auch mit bald 34 noch „diesen Trashtalk in der Kabine, dieses gemeinsame Verlieren, dieses gemeinsame Gewinnen, junge Spieler heranzuführen, sich mit allen Arten von Spielern auseinanderzusetzen“. Philipp Heerwagen wurde als Bankdrücker zum Leitwolf. „Es geht nicht darum, wie oft man spielt“, sagt Trainer Ewald Lienen. „Spiel ist nur einmal am Wochenende, doch wir trainieren jeden Tag, manchmal zweimal. Da kommt es darauf an, welche Arbeitsatmosphäre man hat“.

Wenn Himmelmann im Januar wieder fit sein wird, droht Heerwagen wieder die Bank. Doch mindestens am Samstag ist er auch während der Spiele gefordert – und welcher Profitorwart kann schon von sich sagen, dass er seit 31 Monaten ohne Gegentor ist. Das letzte gelang Manuel Junglas vom VfR Aalen am 27. April 2014.

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