Ein Schritt, der nicht überrascht, denn schon seit geraumer Zeit wurde über den Sinn der Zweitvertretung diskutiert. Nach reiflichen Überlegungen beschlossen Vorstand und Aufsichtsrat am Samstag das Aus der U23. RS sprach mit Sportvorstand Christian Hochstätter über die Zukunft der Nachwuchsabteilung.
Christian Hochstätter, was hat die Verantwortlichen zu dem Schritt, die U23 abzuschaffen, bewogen? Der Beschluss basiert auf dem Hintergrund, dass wir in Zukunft beim VfL noch professioneller arbeiten wollen. Deswegen haben wir alles auf den Prüfstand gestellt. Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass die U23 für uns sportlich zu wenig bringt, erst recht, wenn man den finanziellen Aufwand dagegen rechnet. Deshalb werden wir in Zukunft den Nachwuchsbereich U17/U19 professionalisieren. Bisher hatten wir mit der U23 70 Spieler unter Vertrag. Das ist definitiv zu viel. Die Entscheidung für eine Straffung ist quasi alternativlos.
"Die Nachwuchsspieler wollen nicht in der U23 kicken"
Christian Hochstätter
Was passiert in Zukunft mit einem U19-Spieler, der altersbedingt in den Seniorenbereich rückt? Als Profiklub ist es unser Bestreben, die Besten zu fördern, die das Zeug dazu haben, den Sprung zu schaffen. Und das ist doch genau das, was die Spieler wollen. Sie wollen nicht in einer U23 kicken, sie wollen bei den Profis mittrainieren und spielen. Das wollen wir auch. Wenn wir in Zukunft von einem Talent überzeugt sind, dann nehmen wir es in den Profibereich auf. Diese Spieler werden dann auch Spielpraxis bekommen und zwar in Testspielen, die wir regelmäßig – alle ein, zwei Wochen – durchführen. Da können wir dann auch sehen, wer sich weiterentwickelt und wer nicht. Natürlich werden es nur die Besten schaffen. Es ist doch heute so: Wenn sich ein Spieler mit 21 Jahren noch nicht bei einem Zweitligisten durchgesetzt hat, dann ist er doch kein Talent mehr.
Besteht aber nicht die Gefahr, dass dem VfL dabei das ein oder andere Talent – ein so genannter Spätentwickler – durch die Lappen geht? Das kann auch mit Spielern passieren, mit denen man fest plant. Ich denke, dass in Zukunft die Entscheidung, ob einer den Sprung zu den Profis schaffen kann, viel früher fällt. Bei uns hat zum Beispiel Gökhan Gül als U17-Jugendlicher die Möglichkeit, schon bei den Profis mitzutrainieren. Das gibt es kaum bei anderen Klubs und das ist sicherlich auch ein Faustpfand in den Gesprächen mit jungen Talenten. Die Verantwortung unserer Nachwuchstrainer wird sich deutlich erhöhen. Wir brauchen in Zukunft hochqualifizierte Trainer mit einer bestmöglichen Ausbildung. Es kann nicht sein, dass auf Dauer Thomas Reis im Trainerstab der einzige ist, der eine Fußballlehrerausbildung hat.
Was wird sich in Sachen Ausbildung bei den Nachwuchsteams ändern? Die U19 ist in Zukunft unsere höchste Leistungsklasse, der letzte Schritt vor dem Profifußball. Diese Spieler müssen dementsprechend trainiert und ausgebildet werden – quasi als Vorbereitung auf die Profikarriere. Ihnen werden wir auch eine Philosophie vermitteln, sodass man ihnen dann nicht mehr erklären muss, in welchem System wir spielen wollen. Dazu werden wir Trainer beschäftigen, die mannschaftsübergreifend arbeiten; zum Beispiel einen Techniktrainer oder einen Taktiktrainer. In den unteren Bereichen werden wir uns auch neu aufstellen. Im Bereich U11 bis zur U15 gilt unser Scouting ausnahmslos Talenten aus der Region. Auch hier müssen Top-Trainer heran, damit die Spieler auf die Anforderungen in den beiden höheren Leistungsklassen vorbereitet sind.
Wird der VfL so ein Ausbildungsverein? Ja. Der Fußball verändert sich momentan gewaltig. Durch die astronomischen Fernsehsummen in England werden mehr und mehr Top-Stars auf die Insel auswandern. Die Top-Vereine werden den Aderlass durch Talente aus dem deutschen Nachwuchsbereich versuchen zu kompensieren. Wir müssen dafür gewappnet sein und uns auf diese Zukunft vorbereiten. Denn auch ein Ausbildungsverein kann bei einer geschickten Vereinspolitik in Liga eins spielen.
"Die Verantwortung unserer Nachwuchstrainer wird sich deutlich erhöhen"
Christian Hochstätter
Warum kann man einem Talent noch raten, zum VfL zu kommen? Hat sich die Frage nicht immer schon gestellt? Es ist doch unabhängig von einer U23, oder nicht? Es gibt viele gute Argumente: So gibt es bei den Top-Klubs wie Dortmund, Schalke oder Mönchengladbach doch sicher Spieler, die aufgrund der hohen Qualität in ihrem Verein nicht den Sprung in die erste Mannschaft schaffen. Dies bedeutet doch nicht, dass sie sich im Profifußball nicht durchsetzen können. Also ist ein junger, talentierter Spieler doch sicher im Profikader des VfL Bochum besser aufgehoben, als in einer U23-Mannschaft. Das ist sicherlich ein Anreiz, über den das ein oder andere Talent nachdenken wird. Nach dem Motto: „Wieso soll ich U23 spielen, wenn ich beim VfL in Liga zwei aktiv bin?“ Ich denke, das ist ein schlagkräftiges Argument.
Das klingt nach gewaltigen Veränderungen. Muss sich der VfL neu erfinden? Ich denke schon, dass es viele Dinge gibt, bei denen wir Nachholbedarf haben. Ideen aufgreifen und das Beste daraus zu seinem eigenen Konzept zu machen, ist sicher der richtige Weg. Hier ein Beispiel: Von Dienstag bis Donnerstag bin ich beim FC Porto. Ich bin der Meinung, dass dieser Spitzenklub eines der besten Scouting-Systeme der Welt hat. Nicht von ungefähr haben sie in den letzten Jahren Transfergewinne von mehr als 500 Millionen Euro erzielt. Das will ich mir einmal vor Ort anschauen, um zu sehen, was wir davon für uns an Finanzierbarem übernehmen können. Ich denke, dass dies der Weg sein kann, den VfL sportlich und wirtschaftlich auf gesunde Beine zu stellen.