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Wettskandal: Todesangst
"An Pfosten binden und auf Flut warten"

Wettskandal: Ex-Profi erzählt Horrorszenarien
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Der ehemalige Zweitliga-Profi Rene Schnitzler (u.a. St Pauli) hat dem Magazin Stern erschütternde Einblicke in die Abgründe des Wettskandals gegeben.

Es geht um Betrug, Morddrohungen und Spielsucht. Manipuliert hat er angeblich nicht.

Todesangst am Flughafen, Morddrohungen im Strandcafe, Geheimtreffen im Luxushotel: Der frühere Zweitliga-Profi Rene Schnitzler hat mit einem umfassenden Geständnis einen erschütternden Einblick in die Abgründe des Wettskandals im Fußball gegeben. Der 25 Jahre alte Stürmer gab im Magazin Stern zu, von einem Wettpaten mehr als 100.000 Euro angenommen zu haben, um fünf Auswärtsspiele des FC St. Pauli zu verschieben. Allerdings bestreitet der Stürmer, wirklich eines der Zweitliga-Spiele im Jahr 2008 manipuliert zu haben.

"An Pfosten in Elbe binden und auf Flut warten"

Das Geständnis des vereinslosen Spielers liest sich dennoch wie ein Krimi. Unter anderem habe ein Begleiter des mutmaßlichen Wettpaten Paul R. gedroht, den spielsüchtigen Schnitzler "an einen Pfosten in der Elbe zu binden und auf die Flut zu warten". Ein Schuldeneintreiber habe Schnitzler eine Pistole an die Schläfe gehalten; er habe in der Angst gelebt, entführt oder getötet zu werden. Spiele verschoben habe er dennoch nicht: "Ich habe Geld genommen, ja, aber ich habe nicht manipuliert", behauptet er, "ich habe nicht einmal daran gedacht."

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga (DFL) reagierten relativ gelassen und kündigten Prüfungen an. Die Offiziellen des FC St. Pauli, für den Schnitzler bis 2009 spielte, waren dagegen tief betroffen. "Das war ein Schock. Mit so etwas hätten wir nie und nimmer gerechnet", sagte Teammanager Christian Bönig dem SID. "Die Tatsache, dass man mit der Wettmafia in Berührung kommt, ist allein schon ein Schlag ins Gesicht. Da wird der Sport mit Füßen getreten. Unfassbar."

Der Verein habe die Spiele, die Schnitzler manipulieren sollte, bereits überprüft. "Sie waren alle nullkommanull auffällig. Rene Schnitzler hat wohl einen Betrüger betrogen. Hätte er die fünf Spiele manipuliert, hätten wir alle verloren", sagte Bönig und nannte ein entlastendes Beispiel. "Wir haben in Mainz (beim 2:2 am 23. November 2008, d. Red.) in der 90. Minute den Ausgleich gemacht. Das sagt doch schon alles." Es sei bekannt gewesen, dass Schnitzler "viel gespielt" habe: "Ich glaube, er hat eine gewisse Suchtstruktur in sich getragen."

Pauli-Keeper spricht von "Höchststrafe"

Auch Torhüter Mathias Hain reagierte mit Fassungslosigkeit. "So etwas ist Hochverrat, das Schlimmste, was ich mir für eine Mannschaft vorstellen kann", sagte der Schlussmann dem Hamburger Abendblatt, dessen Name indirekt auch genannt worden war. Schnitzler soll zusätzlich 10.000 Euro erhalten haben, um Hain zu bestechen. Den Torwart habe er aber nicht angesprochen. "Auch wenn jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mich niemals bestechen lassen würde, ist für mich die Tatsache, dass mein Name in einem solchen Zusammenhang auftaucht, extrem schlimm. Man kann es auch eine Höchststrafe nennen", sagte Hain dazu.

Die Staatsanwaltschaft Bochum, die im größten Wettskandal der europäischen Fußball-Geschichte ermittelt, steht mit dem Verein in Kontakt. St. Pauli will laut Bönig "alles mitteilen, was wir wissen". Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek verweigerte auf SID-Anfrage genauso wie Schnitzlers Anwalt Rainer Pohlen eine Stellungnahme.

Paul R., der den Profi anwarb, bezahlte und schließlich bedrohte, ist in Bochum kein Unbekannter: Laut Stern-Recherchen handelt es sich um einen 51 Jahre alten Niederländer, der eine zentrale Figur des Skandals ist. Auch mit dem mutmaßlichen Drahtzieher Mario C. hatte Schnitzler Kontakt - unter anderem am Flughafen von Amsterdam, den der Spieler angeblich in Todesangst verließ.

Der Profi behauptet, in einer Zwickmühle gesteckt zu haben. Seit einem Kasino-Besuch in Aachen 2003 sei er spielsüchtig. Um seine Verluste auszugleichen, setzte er schließlich seine Karriere aufs Spiel. Am 15. Mai 2008 sei er von Paul R. in einem Hotel in Noordwijk angeworben worden; ab diesem Tag war die Spirale nicht mehr aufzuhalten. Nach und nach verzockte Schnitzler das Geld des Paten, wurde bedroht, stimmte weiteren Manipulationen zu, dann begann alles wieder von vorn. Dabei habe er, als am Anfang eine Begegnung nach Wunsch mit einer Niederlage geendet habe, gedacht: "Mein Gott, ist das einfach!"

"Sieh zu, dass du abhaust"

Dann lief es nicht mehr, und der Pate machte Druck. Schnitzler erhielt weiteres Geld, um Mitspieler zu bestechen - er leugnet, wirklich etwas davon ausbezahlt zu haben. Angeblich hat er alles verspielt, teilweise im Rausch, 36 Stunden am Stück. Das Problem: Paul R. wollte nun Spieler sehen, die eingeweiht sind. Zwei Kollegen spielten das Theater für Schnitzler mit.

Dennoch wird diesem mit dem Tod gedroht. Schnitzler lässt sich "überreden", ein Spiel in Mainz zu verschieben, doch es endet 2:2. Danach erhält Schnitzler einen Anruf eines Wettbüro-Betreibers, der auch in die Deals involviert gewesen sein soll. "Sieh zu, dass du abhaust", sagt er, "Paul hat zwei Millionen Euro verloren." Am 8. Dezember wird Schnitzler von der Polizei aus dem Bett geholt, die einen Tipp bekommen hat - von Mario C.

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