Manager Uli Hoeneß, so hieß es, hatte zum Rapport gebeten. Zwei Tage, nachdem der Nationalspieler den deutschen Rekordmeister mit einem Interview in der Süddeutschen Zeitung in helle Aufregung versetzt hatte, bestand offensichtlich großer Gesprächsbedarf.
Zumindest Vereinspräsident Franz Beckenbauer schien über das Wochenende ein wenig ins Grübeln gekommen zu sein. Einerseits habe Lahm "den Kodex verletzt", tadelte der "Kaiser" via Bild-Zeitung - doch andererseits wolle man ja "mündige Spieler". Er würde deshalb, schlug Beckenbauer vor, "mit dem Spieler reden, um zu erfahren, was er damit bezwecken wollte". Nach der Lektüre des Interviews hätte er sich diese Frage allerdings nicht mehr stellen müssen.
Franz Beckenbauer zeigt Verständnis (Foto: firo).
Beckenbauer bemängelte freilich auch, das Interview habe "zu wenig Inhalt" und sei zu lang. Man könne Lahm aber "auch dankbar sein", ergänzte er in der Sendung Sky 90, "dass er sich wehrt und aufschreit, um vielleicht den Letzten auch noch aufzuwecken". Lahm hätte aber die "Schmerzen, die er jetzt hinausgeschrien hat, intern kund tun müssen". Wo er Lahm außerdem recht gebe, gab Beckenbauer zu, "ist bei den Einkäufen".
"Philipp ist stark genug, um jetzt die Kritik auszuhalten", sagte Nationalmannschafts-Kapitän Michael Ballack bei Sky. Auch er war vor einem Jahr per Interview gezielt an die Öffentlichkeit gegangen. "Im Endeffekt ist Philipp natürlich ein wichtiger Spieler für den FC Bayern, der Verantwortung trägt, der sich verantwortlich fühlt für die Mannschaft. Er wollte sicherlich wachrütteln, wollte positive Impulse setzen, hat Dinge angesprochen", sagte Ballack.
Was Hoeneß am Montagmorgen in den Münchner Tageszeitungen zu lesen bekam, dürfte ihn zunächst mal irritiert haben. Die Welt des FC Bayern sei "aus den Angeln", titelte etwa der Münchner Merkur - "Fliegt jetzt alles auseinander?", fragte die Boulevardzeitung tz. Die Abendzeitung konstatierte ein "Bayern-Beben", die Bild-Zeitung wollte einen "Aufstand bei Bayern" erkannt haben. Wer Hoeneß kennt, der weiß: Er fühlt sich dadurch persönlich getroffen.
Wenn Hoeneß am Montag mehr gelesen hat als die Schlagzeilen, müsste allerdings auch er so langsam ins Grübeln gekommen sein. Der einhellige Tenor: Lahm mag den falschen Weg gewählt haben - doch in der Sache selbst sei ihm tatsächlich nichts vorzuwerfen. "Lahm hat auch noch recht", kommentierte die Frankfurter Allgemeine - der kicker sekundierte: "Was Lahm vorbrachte, hat Hand und Fuß." Nur in den Augen von Bild ist alleine Trainer Louis van Gaal schuld.
Philipp Lahm stand am Wochenende im Regen (Foto: firo).
Den Regelverstoß von Lahm haben die Bosse des FC Bayern mit einer Geldstrafe in Höhe von angeblich 30.000 Euro belegt - "dabei müsste er eigentlich noch eine Belohnung dafür kriegen, dass er das mal gesagt hat", ereiferte sich dagegen einer der vielen Anrufer in der Frühsendung des Radiosenders Bayern 3. Über 80 Prozent der User des Internetportals Sport1.de stimmten zu und klickten bei einer Umfrage an: "Ja, endlich sagt es einer."
Lahm hat sich zunächst mal nicht weiter geäußert. Er hat sich auch nicht, wie es Klub-Chef Karl-Heinz Rummenigge reflexartig von ihm gefordert hat, eiligst entschuldigt. Lahms Berater Roman Grill, früher Spieler und Angesteller des FC Bayern, wies unterdessen die polemischen Vorwürfe von Hoeneß zurück, er sei scharf auf den Job von Sportdirektor Christian Nerlinger. Über die Sachfragen, um die es Lahm ging, wird erstaunlicherweise nicht geredet.
Am 27. November ist übrigens Jahreshauptversammlung beim FC Bayern. Es könnte ein ungemütlicher Abend werden. Für die Bosse.