Hamit Altintop und Mike Hanke als Shooting-Stars, Thomas Kläsener, Niels Oude Kamphuis und Sven Vermant als Auf- und Ebbe Sand sowie Christian Poulsen als Absteiger: Die aus Schalker Sicht ziemlich verkorkste Hinrunde präsentierte viele überraschende Gesichter.
Aufsteiger Er war der absolute Shooting-Star des Sommers. Wie schnell Fußball-Märchen wahr werden können, erlebte Hamit Altintop bereits in seinem ersten Bundesliga-Spiel. Mit seinen beiden Traumtoren gegen Borussia Dortmund löste der inzwischen 21-jährige Türke eine Euphorie auf Schalke aus, die nur mit dem Senkrecht-Start von Olaf Thon einst beim unglaublichen 6:6 im DFB-Pokal gegen Bayern München vergleichbar war. Vom Publikum als neuer Held und von den Medien wie ein neuer Pop-Star gefeiert, musste der bei Mama Meryem bisher so wohl gehütete liebe Junge aus der Nachbarschaft gleich Bekanntschaft mit den Schattenseiten des Profi-Daseins machen. Altintop ließ sich vom frischen Ruhm nicht beirren, blieb schön mit beiden auf den Boden und konzentrierte sich weiter nur aufs Fußball spielen. Dass er das Level der ersten Auftritte nicht halten konnte, war klar. Durch einen Riss der Syndesmose im Herbst für über einen Monat außer Gefecht gesetzt, will und kann das Top-Talent in der Rückrunde weitere sportliche Highlights setzen.
Ebenfalls jung und unbekümmert, aber erst von seinem Ausbilder zu Höchstform getrieben, machte auch Mike Hanke in der abgelaufenen Hinrunde den entscheidenden Karrieresprung. Erst nach einem fruchtbaren Austausch mit Trainer Jupp Heynckes schaffte der „U 21“ Nationalspieler den Durchbruch vom Top-Torjäger der A-Jugend und Amateur-Abteilung zum Bundesliga-Stürmer mit Niveau. Wie Altintop hat auch Hanke die Zukunft noch vor sich, obwohl beide schon jetzt zu den tragenden Säulen der Schalker Mannschaft zählen.
Welch schöner Wettbewerb wird Thomas Kläsener im Gegensatz zu den meisten seiner Berufskollegen im Sommer über den UI-Cup gedacht haben. Der vormalige „U 23“ -Kapitän rotierte dank Heynckes’ Experimentier-Freude in die Schalker Mannschaft und hat sich dort bis heute behauptet. Der Lohn für beständige Leistungen als Innen- oder rechter Außenverteidiger dürfte ein Profivertrag ab Sommer 2004 sein.
Unverhofft kommt oft, lautet die Devise bei Sven Vermant. Ähnlich wie bei Hanke brauchte der Belgier den Anstoß von höherer Stelle. Ohne eine Perspektive vor Augen holte sich der Techniker bei Manager Rudi Assauer die Freigabe für einen vorzeitigen Abschied aus Schalke, wovon heute keine Rede mehr ist. Wie von einer Last befreit, erlebte Coach Heynckes nach dessen Gesuch beim Vorstand einen anderen Vermant auf dem Platz. Statt wie zuvor Emile Mpenza – nur ohne öffentlich wirksames Tamtam - enttäuscht das Weite zu suchen, dürfte dem Ex-Brügger bald ein Angebot zur Vertrags-Verlängerung vorliegen.
In seiner bereits fünften Saison auf Schalke hat sich dagegen Niels Oude Kamphuis vom „Pflegefall“ zum absoluten Führungsspieler entwickelt. Beim zuvor ständig verletzten Holländer hat es im richtigen Moment klick gemacht. Von körperlichen Sorgen weitestgehend befreit und endlich die nötige professionelle Einstellung an den Tag legend, wirkt „Totti“ nun in zentraler Position als Arbeiter und kreatives Moment zugleich.
Absteiger Zum Jahresausklang gegen Wolfsburg hat es Heynckes noch einmal mit ihm probiert, doch die Erkenntnis blieb niederschmetternd. Es mag eine letzte Chance gewesen sein, denn Ebbe Sand hat seinen Zenit überschritten. Der einstige Torjäger findet einfach nicht mehr den Weg aus seiner Formkrise. In der vergangenen Saison schon nur noch ein Schatten seiner selbst und in der laufenden Serie ohne einen einzigen Bundesliga-Treffer, wird man beim Anblick des Dänen auf dem Platz nur noch traurig. Fast bis zur Selbstaufgabe für die Mannschaft kämpfend und dabei von einem Erfolgserlebnis träumend, ist das S04-Idol schon lange nicht mehr unantastbar. Von Youngster Hanke überholt und selbst hinter dem sensiblen „Chancentod“ Victor Agali nur dritte Wahl, müsste das einst glorreiche Kapitel Ebbe Sand auf Schalke nach den Regeln der Vernunft schon im Sommer und damit ein Jahr vor Vertragsende beendet werden.
Einen schweren Stand hat derzeit auch Christian Poulsen. Vor eineinhalb Jahren als teuer erkaufte Mittelfeld-Hoffnung auf Schalke höchst willkommen, zeigt die Leistungskurve des Ex-Kopenhageners in dieser Saison stetig nach unten. Wie Landsmann Sand zuletzt nur noch ein Kandidat für die Bank, ist Poulsens Uhr in Gelsenkirchen aber noch längst nicht abgelaufen. Wenn der Blondschopf mal wieder einen Pass nach vorne statt quer oder zurück spielt, dann ist der weg zurück in die erste Elf jederzeit offen.
Den tiefsten Fall erlebte Gustavo Varela. Seit seiner schlimmen Kopfverletzung vom November 2002 neben der Spur, rangierte sich der „Uru“ spätestens mit seiner törichten Kurzvorstellung im DFB-Pokalspiel in Freiburg völlig ins Abseits. Seitdem lernte der WM-Teilnehmer von 2002 die schönsten Ecken in der Regionalliga Nord kennen. Fraglich, ob der vor 18 Monaten als Top-Verstärkung aufgenommene Allrounder jemals wieder die Form seiner ersten Wochen auf Schalke erreicht.
Problem Der Schalker Mannschaft mangelt es an einer echten internen Struktur, an Führungsfiguren. Kapitän Tomasz Waldoch und sein Vize Ebbe Sand können es auf Grund von Leistung bzw. verletzungsbedingter Auszeit nicht oder nur kaum sein. Frank Rost, zweiter Stellvertreter des Polen und die einzige autoritäre Persönlichkeit im Team, hat wegen seines oft überbordenden Temperaments nicht viele Freunde in der Truppe. Der Rest des Kaders besteht aus Mitläufern oder eben Talenten, die sich Platz in der Mannschaft erst noch etablieren und in der deutschen Elite-Klasse behaupten müssen. Eine Abwehr, in der zwei Innenverteidiger-Posten mit fünf „Kanten“ gleichen Typs besetzt werden können, von denen aber keiner spielerische Kultur mitbringt, taugt nicht für modernen Spitzen-Fußball. Ein Mittelfeld, dessen kreatives Potenzial an den Füßen zweier Aufsteiger dieser Saison sowie einer 21-jährigen Nachwuchs-Hoffnung, eben so nicht. Und das Problem im Sturm liest sich schon in der internen Torschützen-Liste. Diese führen mit Hamit Altintop und Dario Rodriguez (jeweils vier Treffer!) zwei Akteure aus der zweiten Reihe an.
Zukunft Insgesamt besteht das Schalker Aufgebot aus zu vielen durchschnittlichen Bundesliga-Kickern, womit das mittelfristige Ziel Rudi Assauers, einmal die Nummer drei in Deutschland zu sein, nicht zu realisieren ist. Selbst die Vorgabe für diese Saison, die Voraussetzung für die abermalige Teilnahme am internationalen Geschehen zu schaffen, dürfte nur über den aus dem vergangenen Sommer bekannten Umweg funktionieren. Keine rosigen Aussichten für das große hundertjährige Jubiläum. Doch einerseits hat das Schalker Publikum gelernt, zu leiden, und andererseits verheißen die Neueinkäufe für die nächste Serie eine bessere Zukunft.