Als der Schnee am Freitagabend aufhörte zu fallen, hatten sie im Dortmunder Stadion plötzlich wieder Hoffnung. Schiedsrichter Tobias Stieler ging raus zur Westtribüne, überprüfte die TV-Bilder. Dann ein Zeichen, ein Pfiff: Foulelfmeter für Borussia Dortmund, weil Edmond Tapsoba BVB-Talent Julien Duranville im Gesicht getroffen hatte. Serhou Guirassy verwandelte zum 2:3. Ging da noch was nach 79 Minuten?
Nein. Das späte BVB-Comeback blieb aus, es wäre auch nicht leistungsgerecht gewesen. Zu Beginn des neuen Jahres sah man im Duell mit Double-Sieger Bayer Leverkusen beim 2:3 (1:3) einen Klassenunterschied – bedingt durch einen aberwitzigen Krankenstand bei Schwarz-Gelb. Nathan Tella (1.) und Patrick Schick (8./18.) trafen für Leverkusen. Jamie Gittens (12.) und Guirassy brachten den BVB zweimal heran.
Es war ein Abend zwischen großen Emotionen und Fassungslosigkeit. Einerseits knisterte es, Gänsehaut zierten die 81.365 Körper im Dortmunder Stadion, und das hatte nicht in erster Linie mit den Temperaturen um den Gefrierpunkt zu tun. Die Fans auf der Südtribüne hatte eine große Choreographie vorbereitet für das am 30. Dezember 2024, kurz vor seinem 61. Geburtstag überraschend verstorbene Klub-Idol Wolfgang de Beer. Auf den Torwarthandschuhen von Gregor Kobel stand „R.I.P Teddy“. „Sein Lachen wird uns fehlen“, sagte Stadionsprecher Norbert Dickel. Und: „Er wird immer ein Teil des BVB bleiben.“ Dann brach die Stimme des ehemaligen Mitspielers ab.
Leverkusen: Hrádecký - Mukiele, Tah, Tapsoba, Hincapie - Xhaka, Andrich - Frimpong (88. Arthur), Grimaldo (88. Palacios) - Schick (63. Wirtz), Tella (74. Terrier). - Trainer: Alonso
Schiedsrichter: Tobias Stieler (Sölden (Schwarzwald))
Tore: 0:1 Tella (1.), 0:2 Schick (8.), 1:2 Gittens (12.), 1:3 Schick (19.), 2:3 Guirassy (79., Foulelfmeter nach Videobeweis)
Gelbe Karten: Nmecha (2) - Schick (3), Tapsoba (2)
Zuschauer: 81.365 (ausverkauft)
Nuri Sahin stand bei der folgenden Schweigeminute an der Seitenlinie, in seinem Kopf aber wird er vor allem über das anstehende Spiel gegrübelt haben. Acht Spieler fehlten ihm, darunter alle vier Innenverteidiger Nico Schlotterbeck, Waldemar Anton, Niklas Süle und Emre Can sowie Linksverteidiger Ramy Bensebaini. Eine Grippewelle zog durch die Mannschaft. „Es ist wie es ist, wir nehmen es an. Wir werden trotzdem alles durchziehen, was wir uns die letzten zehn Tage vorgenommen haben“, sagte Trainer Nuri Sahin. Das heißt: Nach Platz sechs zu Weihnachten und vielen Auf und Abs im neuen Jahr endlich zu Konstanz finden, in der Tabelle klettern.
BVB gegen Leverkusen mit irren Personalproblemen
Nach ganzen 26 Sekunden wurde Sahin („Ich bin guter Dinge“) von der harten Realität eingeholt: Diese Viererkette hat in dieser Zusammenstellung kein Bundesliga-Niveau. Da zappelte der Ball im Netz, Nathan Tella brachte Leverkusen in Führung. Vorausgegangen war ein Fehlpass von Yan Couto und ein spätes Einrücken von Aushilfs-Innenverteidiger Julian Ryerson. Perspektivspieler Almugera Kabar und Yannik Lührs aus der U23 komplettierten die Abwehrreihe. Sieben Minuten später der nächste Schock: Couto verlor das Laufduell Piero Hincapie, Patrik Schick schaltete in der Mitte schneller als alle anderen: 2:0. Und das ohne Edeltalent Florian Wirtz, der in der Startelf fehlte. Trainer Xabi Alonso deutete disziplinarische Gründe an.
Auch beim dritten Leverkusener Tor zeigte sich die gefährliche schwarz-gelbe Mischung aus Unerfahrenheit und mangelndem Abwehrverhalten. Kabar ließ Jeremie Frimpong flanken, Schick lief löste sich von Ryerson, weil der Norweger den Tschechen nicht aufnahm (19.).
Eines aber musste man dem BVB lassen. Trotz aller Probleme fiel Dortmund nicht auseinander. Denn zwischenzeitlich besorgte Jamie Gittens das Anschlusstor zum 1:2 (12.). Auch nach dem erneuten Rückschlag kam der BVB zu zwei dicken Chancen. Ein Tor von Serhou Guirassy aus der Distanz wurde durch Granit Xhakas Wade und einer Hand von Torwart Lukas Hradecky verhindert (28.). Der finnische Keeper parierte zudem Karim Adeyemis Schuss (29.) – und hatte Glück, dass Maximilian Beier im zweiten Versuch im Abseits stand.
BVB nun gegen Holstein Kiel unter Druck
78 Prozent Ballbesitz hatte der BVB zur Pause, was auch daran lag, dass die Werkself so besser auf Fehler des nicht eingespielten Teams lauern konnte. Das Gefühl, der BVB könnte noch irgendwie in diese Partie zurückkommen, kam in Durchgang lange nicht auf. Im Gegenteil: Leverkusen war dem vierten Tor näher, Schick hätte es schießen müssen, scheiterte aber freistehend an Gregor Kobel (62.). Dann verwandelte Guirassy den Foulelfmeter zum 2:3 (79.).
Nach fast auf den Tag genau 21 Jahren (0:1 im Derby gegen Schalke) kassierte Dortmund dennoch wieder eine Niederlage an einem Freitagabend in der Bundesliga. Gibt sie Aufschluss über den Leistungsstand des BVB? Ob der Personallage nicht so recht. Klar ist aber: Am Dienstagabend bei Holstein Kiel steht die Mannschaft schon massiv unter Druck.