Sebastian Kehl hat in den vergangenen Tagen viel über Waffen gesprochen. Dabei ging es um das sportliche Arsenal, um jene fußballerischen Mittel also, mit denen Borussia Dortmund im Champions-League-Finale am Samstag dem übermächtig erscheinenden Gegner Real Madrid „wehtun kann“. Doch am Mittwoch hat der BVB eine Sponsoring-Partnerschaft mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall bestätigt - er muss sich unmittelbar vor dem wichtigsten Spiel der jüngeren Vereinsgeschichte moralisch-ethischen Fragen im Zusammenhang mit echten Waffen stellen.
Der Düsseldorfer DAX-Konzern, dessen Aktienkurs sich seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine verfünffacht hat, wird beim Fußball-Bundesligisten für zunächst drei Jahre „Champion Partner“. Rheinmetall wird der Pressemitteilung zufolge künftig „im sportlichen und gesellschaftlichen Umfeld auftauchen“, aber nicht auf den Trikots. Dennoch wird das Logo schon während der Final-Vorbereitung zu sehen sein. Sicher ist zudem: Es werden jährlich mehrere Millionen Euro fließen, für die „Nutzung reichweitenstarker Werbeflächen, Vermarktungsrechte sowie Event- und Hospitality-Angebote im Stadion sowie auf dem Vereinsgelände“.
Der vom Verein einkalkulierte Shitstorm begann unmittelbar nach der Verkündung. Viele Fans zeigten sich enttäuscht und wütend, die „Deutsche Friedensgesellschaft“ forderte zu Protesten vor der Vereins-Geschäftsstelle auf: „Ich bin sehr schockiert. Ich hätte niemals damit gerechnet, dass der BVB auch nur daran denkt, eine Partnerschaft mit einem Rüstungsunternehmen einzugehen“, sagte Geschäftsführer Michael Schulze von Glaßer dem SID am Mittwoch. „In seinem Grundwertekodex bekennt sich der BVB zum Eintreten für eine gewaltfreie Gesellschaft.
Hans-Joachim Watzke verkaufte das erste Engagement eines Rüstungskonzerns in der Fußball-Bundesliga sehr offensiv positiv. Sicherheit und Verteidigung seien „elementare Eckpfeiler“ der Demokratie: „Gerade heute, da wir jeden Tag erleben, wie Freiheit in Europa verteidigt werden muss. (...) Wir freuen uns auf die Partnerschaft und öffnen uns ganz bewusst für einen Diskurs.“
Den wird es geben, allerdings könnte er vom großen Ziel ablenken - dem Champions-League-Triumph in Wembley. Daher war neben der Partnerschaft an sich auch der Zeitpunkt der Verkündung eine große Überraschung. Erst am Dienstag hatte der Sportdirektor Kehl gefordert, es dürfe nun ausschließlich um das Finale gehen - dieser Ansatz ist gescheitert. Die führende Fan-Organisation Unsere Kurve sprach auf SID-Anfrage von einem „neuen Tiefpunkt auf einer anscheinend nach unten offenen Geldgier-Skala“.
Mitglieder des BVB-Fanrats, der vorab einbezogen oder zumindest informiert worden sein soll, wollten sich hingegen nicht äußern. Auch das Bundesverteidigungsministerium, dessen Rat der Klub gesucht haben soll, lehnte eine Stellungnahme ab. Klar positionierte sich dagegen ein Autor des beliebten Onlineportals schwatzgelb.de: „Leute, macht euch einfach gerade, sagt klar, dass Rheinmetall Image haben will und der BVB Geld. (...) Aber spart euch euer staatsmännisches Rumgeblubber.“
Der Rheinmetall-Vorstandsvorsitzende Armin Papperger hatte von zwei Partnern gesprochen, „die mit ihren Ambitionen, ihrer Haltung und ihrer Herkunft gut zueinander passen“. Der BVB sei „ein Verein aus dem Herzen von Nordrhein-Westfalen und steht wie kaum ein anderer für das Streben nach Spitzenleistung und internationalem Erfolg“. Rheinmetall wolle „seine Marke als führendes Systemhaus der Verteidigungsindustrie und als Treiber industrieller Innovationen in zivilen Märkten auch international noch bekannter machen“. Den gemeinen BVB-Fan jedenfalls wird das Unternehmen kaum ansprechen wollen.
Rheinmetall ist ein DAX-notierter Konzern mit weltweit mehr als 30.000 Mitarbeitern, der Jahresumsatz betrug zuletzt rund 7,2 Milliarden Euro. Das Unternehmen soll aus dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr allein 30 Milliarden erhalten. Rheinmetall unterstützt auch den Handball-Bundesligisten Bergischer HC und die Basketballerinnen der Capital Bascats Düsseldorf.