Mit einer Pokal-Überraschung hatte beim FC Schalke 04 ohnehin niemand gerechnet. Dass die Königsblauen aber beim Bundesliga-Rivalen TSG Hoffenheim alles schuldig bleiben würden, was eine Fußballmannschaft auszeichnet, kam für alle, die es mit Königsblau halten, überraschend. Die Schalker gingen sang- und klanglos mit 1:5 (0:3) unter, wurden von den gegnerischen Fans verspottet – und die Vereinschefs müssen sich nun doch die Frage stellen, ob sie Trainer Frank Kramer noch vor dem Bundesligaspiel bei Hertha BSC (Sonntag, 17.30 Uhr/DAZN) freistellen.
Kramer, der wusste, dass seine Mannschaft ergebnisunabhängig nur gut spielen und kämpfen muss, damit er seinen Job definitiv behalten darf, änderte seine Elf im Vergleich zum 0:3 im Bundesligaduell gegen Hoffenheim vor fünf Tagen auf fünf Positionen. Und Schalke verteidigte mit Dreier- statt Viererkette.
Schalke: Schwolow - Mohr (40. Aydin), Matriciani, Yoshida, Ouwejan - Kral, Latza (60. Karaman) - Larsson (86. Bülter), Flick, Mollet (60. Drexler) - Terodde (60. Polter). - Trainer: Kramer
Schiedsrichter: Matthias Jöllenbeck (Freiburg)
Tore: 1:0 Dabbur (5.), 2:0 Angelino (16.), 3:0 Dabbur (43.), 4:0 Kabak (51.), 5:0 Kaderabek (63.), 5:1 Drexler (69.)
Zuschauer: 15.633
Doch besser spielten die Königsblauen nicht. Im Gegenteil. In der ersten Halbzeit wirkten die Schalker wie ein Dritt- oder Viertligist, der versucht, beim hohen Favoriten nur nicht zu hoch unter die Räder zu kommen. Was aber nicht gelang. Schon in der fünften Minute begann der Untergang. Kapitän Danny Latza verlor im Mittelfeld einen Zweikampf, der Ex-Schalker Ozan Kabak spazierte durch Schalkes Spielhälfte, seinen präzisen Pass verwandelte Munas Dabbur. In der 16. Minute überwand Angelino Schalkes Torwart Alexander Schwolow mit einem harmlosen Schuss ins kurze Eck – 2:0. Kurz vor der Pause lief Dabbur S04-Abwehrchef Maya Yoshida davon und erhöhte auf 3:0. Dazwischen vergab die TSG weitere große Chancen und konnte es sich sogar leisten, mit Hackentricks und Beinschüssen Schalkes Mannschaft lächerlich aussehen zu lassen.
Und Schalke? Trainer Kramer war einer der engagiertesten, er lief in seiner Trainerzone auf und ab, trieb seine Spieler an. Die brachten aber nur zwei harmlose Torschüsse durch Tobias Mohr (6.) und Danny Latza (45.) zustande. Und in der 39. Minute nahm Kramer seine taktische Änderung zurück: Er nahm Mohr noch vor der Pause vom Platz und stellte auf die gewohnte Taktik um. In der Kabine hatte Kramer offenbar nicht viel zu erzählen – schon nach wenigen Minuten kehrte er auf die Trainerbank zurück, und diskutierte dort mit Klubidol Gerald Asamoah, der die erste Hälfte meist mit gesenktem Kopf verfolgt hatte.
Doch auch die 15-minütige Halbzeit-Unterbrechung änderte nichts am Spielverlauf. 38 Sekunden waren gespielt, da lag der Ball erneut im Schalker Tor, doch wegen einer Abseitsposition wurde der Treffer von Georginio Rutter nicht anerkannt. In der 51. Minute fiel dann das 4:0, das auch in dieser Höhe verdient war. Nach einer Freistoßflanke köpfte Kabak den Ball ins Tor – auf einen ausgiebigen Jubel verzichtete er gegen seine ehemaligen Kollegen, mit denen er noch das Sommer-Trainingslager in Mittersill verbracht hatte.
Tausende Schalke-Fans, die ihre Mannschaft trotz der sportlichen Aussichtslosigkeit begleitet hatten, stimmten wieder ihren Lieblings-Sprechchor bei sportlichen Krisen an: „Tausend Trainer schon verschlissen, Spieler kommen, Spieler gehen.“ Die Hoffenheimer Anhänger entgegneten: „Einer geht noch rein.“ Dieser Sprechchor war Schalke in der Abstiegssaison erspart geblieben – aber nur, weil wegen der Coronakrise die Stadien nie ausverkauft waren.
Hoffenheims Trainer André Breitenreiter schonte nun seine Leistungsträger, die er sukzessive auswechselte. Das Torfestival ging weiter. Der eingewechselte Pavel Kaderabek erhöhte in der 66. Minute auf 5:0. Trainer Frank Kramer verfolgte das Spiel regungslos. Die Schalke-Fans äußerten ihre Auffassung lautstark. Sie riefen „Kramer raus“. Und sie änderten ihre Meinung auch nicht, nachdem Dominick Drexler (67.) das Ehrentor gelungen war.