Adi Hütter in Not, aber nicht am Ende. Die historische Katastrophenwoche mit zehn Gegentoren aus zwei Spielen bleibt für den Trainer von Borussia Mönchengladbach zunächst ohne Folgen, wirkt aber nach. „Wir haben einiges aufzuarbeiten. Die Situation ist nicht zufriedenstellend“, bekräftigte der bediente Sportchef Max Eberl am Sonntag nach dem peinlichen 0:6 (0:6) gegen den SC Freiburg - der höchsten Heim-Pleite seit 23 Jahren.
Im Spätherbst 1998 kassierte die Borussia als damaliger Tabellenletzter und späterer Absteiger gar 15 Gegentore in einer Woche (2:8 gegen Leverkusen, 1:7 in Wolfsburg). Damals wurde Friedel Rausch als Trainer beurlaubt, Manager Rolf Rüssmann musste ebenfalls gehen. Derlei ist diesmal nicht zu befürchten, insbesondere auch Hütter sitzt fest im Sattel. „Man entscheidet sich ja bewusst für einen gemeinsamen Weg. Wir gehen jetzt auch gemeinsam durch dick und dünn“, sagte Eberl und bezeichnete Nachfragen dazu als „absurd“.
Immerhin bezahlte Eberl auch 7,5 Millionen Euro Ablöse an Eintracht Frankfurt für den Österreicher, um ihn als Nachfolger des nach Dortmund gewechselten Marco Rose zu holen. Damit erbte Hütter auch Probleme. Denn die Fallhöhe der Gladbacher Leistungen zwischen begeisternd wie beim 5:0 vor gut einem Monat im DFB-Pokal gegen den FC Bayern und desaströs wie vor allem in der katastrophalen ersten Halbzeit gegen Freiburg ist nichts Neues in Gladbach.
Solch eine Leistung mit dieser Mannschaft ist nicht erklärbar
Adi Hütter
Für Hütter mögen die fehlende Konstanz und die zwei Gesichter seines Teams noch irritierend sein. „Solch eine Leistung mit dieser Mannschaft ist nicht erklärbar“, sagte der 51-Jährige etwas hilflos. Wozu „diese Mannschaft“ im Guten fähig ist, zeigt sie halbwegs verlässlich gegen starke Gegner - nicht nur die Bayern können davon ein Lied singen. Schon unter Rose begeisterte die Borussia in der Champions League und setzte sich in der Gruppe mit Inter Mailand und Real Madrid durch. Nur geriet die Mannschaft auch schon da in eine Hilflosigkeit, wenn es in der Liga nicht lief. Auch in der Vorsaison wurden gegen schwächere Teams etliche Punkte verschenkt.
Somit scheint das Problem tiefer zu liegen, auch wenn Eberl versuchte, das 0:6 als einmaligen Ausrutscher darzustellen. „Wir haben schon Mentalität und Qualität - heute nicht“, sagte er. Dabei sind die verlässlichen Probleme gegen kampf- und zweikampfstarke Teams so auffällig wie besorgniserregend aus Gladbacher Sicht. Eberls derbe geäußerten Fragen am Sonntag („Entschuldigung, was passiert da für eine Scheiße? Warum wehren wir uns nicht?“) hätte man sich seit einigen Monaten alle paar Wochen immer wieder stellen können.
Zumindest öffentlich wollten Eberl und Hütter die eigentlich offensichtliche defensive Arbeitsverweigerung aber erneut nicht anprangern. Eberl verwies hingegen auf das Versagen bei den Standards und fragte: „Hat das wirklich was mit Einstellung zu tun?“. Und Hütter bekräftigte selbst nach diesem schlimmen Auftritt: „Ich werde mich immer vor meine Mannschaft stellen, egal, was passiert.“
Interessant dürfte nun werden, wie sich Hütter intern seinem Team vor dem Auswärtsspiel bei RB Leipzig am Samstag präsentiert. Die Sachsen gingen weniger zimperlich mit den bisherigen Enttäuschungen um und trennten sich gerade erst vom im Sommer geholten Coach Jesse Marsch. Gladbach hingegen wirkt zumindest nach außen teilweise wie eine Wohlfühloase. Öffentliche Kritik gibt es bei der Borussia selten bis gar nicht. „Emotionale Ausbrüche bringen nichts. Wir sitzen alle in einem Boot“, sagte Hütter erst am Sonntag wieder.
Der Großteil der Fans würde sich dagegen eine härtere Kritik an den Spielern wünschen. Viele empfinden das große Aufspielen gegen Top-Gegner als eine Art Vorspielen für größere Clubs. Bei den Leistungsträgern Matthias Ginter und Denis Zakaria laufen im Sommer die Verträge aus. Es droht Substanzverlust ohne nennenswerten Erlös. Etwas, was sich Borussia eigentlich nicht erlauben kann.
Denn der aktuelle Kader schreit geradezu nach anderen, neuen Elementen. Doch hier wird die Corona-Pandemie zum immer größeren Problem. Durch das unverschuldete wirtschaftliche Minus waren die Borussen in den vergangenen Monaten nicht in der Lage, kostspielige Transfers zu tätigen. Aus demselben Grund spülte auch kein Verkauf von Leistungsträgern wie so oft zuvor viel Geld in die Kassen, womit der Kader hätte umgebaut werden können. Allerdings: Auch andere Clubs hatten weniger Geld zu Verfügung.