Lucien Favre war kaum zu bändigen vom Vierten Offiziellen: Immer wieder verließ der Trainer von Borussia Dortmund seine Coaching Zone, trat an den Spielfeldrand, schrei, winkte, gestikulierte wild. Auch in den Schlussminuten schien Favre der Sache noch nicht ganz zu trauen: Seine Dortmunder, die sich in der laufenden Saison so oft so schwer getan hatten, lagen tatsächlich 2:0 in Führung gegen den bisherigen Tabellendritten VfL Wolfsburg. Gegen jene Mannschaft also, die bislang noch kein Bundesligaspiel verloren hatte.
Erst als Mario Götze in der 88. Minute per Elfmeter zum 3:0 traf, war auch Favre seiner Sache sicher: Der Schweizer jubelte energisch – und griff sich dann sofort an den Oberschenkel. Er hatte vor lauter Freude seinen Muskelfaserriss vergessen, den er sich kürzlich im Training zugezogen hatte.
Der 3:0 (0:0)-Sieg vor 80.200 Zuschauern war auch für den Schweizer ein wichtiger: Nach dem 2:1-Sieg im DFB-Pokal gegen Borussia Mönchengladbach war es der zweite Erfolg binnen einer Woche, der bislang leicht kriselnden Mannschaft – der den Druck auf Favre deutlich lindert.
Der Trainer hatte durchaus überrascht mit seiner Aufstellung: Dass Abwehrchef Mats Hummels nach Magen-Darm-Infekt und Kapitän Marco Reus nach muskulären Problemen wieder in der Startelf standen, war noch erwartet worden. Dass dort aber auch Mahmoud Dahoud, Marwin Hitz und Julian Weigl zu finden waren, während Roman Bürki, Axel Witsel und Jadon Sancho auf der Bank saßen, dürfte auch für die Wolfsburger unerwartet gewesen sein.
Dennoch hatten sie zunächst keine Probleme, sich in der Defensive auf die neuformierten Dortmunder einzustellen: Stoisch verteidigten die drei Abwehrkanten in der Dreierkette alles, was an flachen (zu wenig) und hohen (deutlich zu viel) Bällen von den Dortmundern in die Spitze geschlagen wurde. Man sah, warum diese Mannschaft in der Bundesliga mit erst fünf die wenigsten Gegentore kassiert hat. Man sah aber auch, warum sie selbst erst elfmal getroffen hat.
So dauerte es bis zur ersten Tor-Annäherung: Achraf Hakimi jagte einen Abpraller aus rund 20 Metern deutlich über das Tor (14.), Weigl setzte einen Schlenzer aus ähnlicher Distanz daneben (15.), richtig gefährlich wurde es auf der anderen Seite, als sich die Wolfsburger erstmals aus der eigenen Deckung wagten: Nach einem Ballverlust von Julian Brandt standen die Dortmunder etwas unsortiert, am Ende ließ sich Mats Hummels allzu leicht von Lukas Nmecha überlaufen – doch der Nationalspieler lupfte den Ball aus etwas spitzem Winkel an die Latte (22.).
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Der BVB hatte weiterhin mehr Ballbesitz, fand aber weiterhin keine Lösung, den Wolfsburger Abwehrriegel zu knacken. Wieder einmal fehlte es gegen einen rustikal zweikämpfenden Gegner an Tempo, an Überraschungsmomenten und vor allem an Läufen in die Tiefe. Und dann musste auch noch der Kapitän vom Platz: Reus hatte sich im Zweikampf am linken Fuß verletzt, ihn ersetzte Mario Götze (28.). Und auch für Schiedsrichter Tobias Welz ging es nicht weiter, Assistent Martin Thomsen übernahm.
Als es nach fünf Minuten Pause weiterging, war Thomsens erste Amtshandlung ein Freistoßpfiff für den BVB aus durchaus gefährlicher Position – doch Hakimi setzte den Schuss erneut deutlich zu hoch an (35.). Auf der Gegenseite verfehlte ein Fernschuss von Maximilian Arnold das Tor (41.), dann stand Götze bei einem Schuss von Thorgan Hazard im Weg (44.). Und dann kam wieder Wolfsburg der Führung ganz nahe: Anthony Brooks verlängerte eine Flanke per Kopf, Bruma spitzelte den Ball knapp neben den langen Pfosten (45.+5).
Nach der Pause gelang dem BVB der bessere Start, Raphael Guerreiro aber verzog nach einem Konter deutlich (48.). Und wenig später gelang mit dem ersten wirklich gefährlichen Torschuss tatsächlich die Führung: Hakimi erlief nach einem langen Ball den Abpraller, Götze zog mit klugem Laufweg einen Abwehrspieler aus dem Zentrum, Hakimi bediente Hazard, der den Ball stoppte und flach ins kurze Eck schoss (52.). Und auch wenig später waren die Gastgeber wacher als die Gäste: Weigl führte einen Freistoß blitzschnell aus, Hazard bediente Guerreiro und der traf mit einem Flachschuss ins linke Eck (58.).
Ein Dortmunder Doppelschlag, der Folgen hatte: Wolfsburg war verunsichert, beim BVB dagegen lief der Ball nun deutlich schneller und sicherer durch die Reihen. Und weil die Gäste nun mehr für die Offensive tun mussten, gab es immer mehr Räume zum Kontern und Chancen für Dortmund: Mahmoud Dahoud etwa scheiterte aus kurzer Distanz an Torhüter Pavao Pervan (67.).
Aber ganz sicher stand die schwarz-gelbe Hintermannschaft immer noch nicht: Nach Pass von Felix Klaus tauchte Joao Victor plötzlich frei vorm Tor auf, scheiterte aber am herausstürzenden Hitz (69.). Arnold setzte einen Volley aus 18 Metern neben das Tor (73.).
Auf der Gegenseite vergab Thorgan Hazard die Chance zur endgültigen Entscheidung, als er nach starkem Doppelpass mit Hakimi von der Strafraumgrenze knapp verzog (80.). Dann aber traf Götze per Handelfmeter – Bruma war der Übeltäter (88.).
Und die bislang mit ihrer Saison eher unzufriedenen Dortmunder fahren am kommenden Samstag tatsächlich als Tabellenzweiter mit einem Punkt Vorsprung auf den FC Bayern zum Spitzenspiel nach München.