Eigentlich, sagte der weitgereiste Gonzalo Castro, "eigentlich ist er ein ruhiger und sachlicher Trainer". Am Mittwoch ist Markus Weinzierl dann aber doch mal der Kragen geplatzt. Er hatte offensichtlich genug davon, für alles und für jeden beim VfB Stuttgart seinen Kopf hinhalten zu müssen. "Irgendwo reicht's!", schimpfte er in seiner sonst oft drögen wöchentlichen Pressekonferenz, "die Trainer werden immer für alles beschuldigt."
"Das Thema hat ihm offenbar auf der Seele gebrannt", sagte Castro der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten. Weinzierl hatte am Mittwoch nachträglich die Spuckattacke von Santiago Ascacibar bewerten sollen. Er verurteilte dessen Aussetzer, wurde dann aber wütend: "Wenn ich im Zusammenhang mit der Spuckattacke lese, Weinzierl hat die Mannschaft, hat die Spieler nicht im Griff, da muss ich mich wirklich fragen, was wir Trainer uns alles gefallen lassen müssen."
Danach kam Weinzierl richtig in Fahrt. Nein, ereiferte er sich, er sei nicht für alles und jeden verantwortlich. "Bin ich schuld", fuhr er fort, "wenn ein Spieler über die Grenze schlägt und jemanden anspuckt? Bin ich eigentlich schuld an allem? Bin ich schuld dran, dass wir vorne die Tore nicht machen und dass wir hinten Fehler machen?" Er stelle sich ja Kritik, etwa, wenn es um die Offensivschwäche gehe, aber: "Fakt ist, dass der Trainer nicht an allem schuld ist."
Was Weinzierl bei allem Wehklagen über "fehlenden Respekt" nicht wegdiskutieren kann, ist seine verheerende Bilanz: Nur ein Sieg und vier Unentschieden sind ihm mit dem VfB in den vergangenen 14 Spielen gelungen, der Schnitt von 0,73 Punkten ist der schlechteste eines Trainers der Schwaben. Konsequenz? Sportvorstand Thomas Hitzlsperger will an Weinzierl bis zum Saisonende festhalten - er vertraue dessen Aussagen, sagte der Trainer auf Nachfrage leicht verärgert.
Am Samstag muss der VfB Stuttgart erst mal beim FC Augsburg ran (15.30 Uhr/Sky). "Das ist ein Schlüsselspiel für uns, das wissen wir", betonte Castro, "alle Alarmglocken sind bei uns und auch beim Trainer an." Der VfB muss, und darüber gibt es auch für Weinzierl keine zwei Meinungen, "gewinnen, wenn wir direkt in der Liga bleiben wollen". Augsburg, das vor einer Woche nochmal den Trainer gewechselt hat, wäre seine Sorgen mit einem zweiten Sieg unter Martin Schmidt dagegen los.
Weinzierl sieht die einst von ihm trainierten Augsburger allerdings nur als Zwischenstation an. "Es war immer klar", betonte er, "dass wir eher auf die Schalker schauen sollten, ich habe immer davon gesprochen, dass wir am letzten Spieltag ein Endspiel haben wollen." Am 18. Mai gastiert der VfB auf Schalke, Weinzierl setzt darauf, dass sich dann im Spiel bei seinem zweiten ehemaligen Klub in der Bundesliga entscheidet, wer in die Relegation muss.
Vor den K.o.-Spielen wäre Weinzierl aber angeblich nicht bange. Sollte den Stuttgartern der Sprung auf Rang 15 nicht mehr gelingen, "werden wir Relegation spielen und mit unseren Fans im Rücken gewinnen", versicherte er mit fester Stimme. Dies gilt allerdings nur für den Fall, dass nicht doch noch der 1. FC Nürnberg am VfB vorbeizieht. sid