Götze spielt die Saison seines Lebens. Drei Bundesligaspiele und ein Tor, das bedeutet einen Karriere-Bestwert. Zumindest für Felix Götze, den sechs Jahre jüngeren Bruder des Weltmeisters Mario. Für den wäre eine solche Bilanz normalerweise eher nicht der Rede wert – wenn er nicht aktuell froh sein müsste, überhaupt auf solche Zahlen zu kommen: Der ältere Götze hat noch keine einzige Bundesliga-Minute spielen dürfen, zuletzt gehörte er nicht mal mehr zum Kader. Dass der kleine Bruder mehr Einsätze und mehr Tore auf dem Konto hat, wenn am Samstag (15.30 Uhr/Sky) der Mario-Götze-Klub Borussia Dortmund den Felix-Götze-Klub FC Augsburg empfängt, hat auch er selbst eher nicht erwartet.
Felix Götze erhielt einen Profivertrag beim FC Bayern
„Ich weiß, dass Mario ein geiler Spieler ist“, sagt der 20-Jährige im Gespräch mit dieser Zeitung. „Ich bin mir sicher, dass er zu alter Stärke finden wird.“ Er selbst lotet seine Stärke gerade erst aus: Anfang September das erste Bundesliga-Spiel im Augsburger Mittelfeld, beim 1:1 gegen Borussia Mönchengladbach. Dann das erste Bundesligator, das 1:1 bei Bayern München, als er eine Hereingabe von Jeffrey Gouweleeuw mit der Brust über die Linie drückte.
„Ich hatte natürlich Glück, dass ich da stand“, sagt Felix Götze. „Der war dann auch nicht mehr allzu schwer reinzumachen.“ Sein erstes Tor feierte der Jungprofi äußerst zurückhaltend. Auf Instagram kündigte er zwar einen Salto für seinen nächsten Treffer an, das aber „war ein kleiner Gag“, sagt Götze und lacht. „Ich kann gar keinen Salto, ich würde mir wahrscheinlich alles brechen.“ Der verhaltene Jubel sei ein Zeichen des Respekts gewesen für seinen Ausbildungsklub. Und das Tor widmete er seinem älteren Bruder. „Weil er mir immer sehr geholfen hat.“
Dabei war es nicht immer von Vorteil, der Bruder von Mario Götze zu sein: Nicht nur in der BVB-Jugend kamen stets die Vergleiche mit dem wohl größten Talent, das die Trainer dort je gesehen hatten. Als er 2014 in die U17 des FC Bayern wechselte, hatte der Bruder gerade Deutschland zum WM-Titel geschossen. Natürlich profitierte der sechs Jahre Jüngere von den Erfahrungen des Älteren. „Er hat sich auch immer Spiele von mir angeschaut und mir Tipps gegeben“, erzählt Felix. „Mario hat einen großen Anteil an meiner Entwicklung.“ Wie der Rest der Familie, zu der auch der älteste Bruder Fabian gehört. Der brachte es zum Drittliga-Profi und U17-Nationalspieler, bevor er 2015 die Karriere beendete. Aber: „Es gab auch Leute, die Dinge sagen wie: Der geht ja nur wegen seines Bruders zu Bayern.“
Dabei bekam der kleine Götze in München nichts geschenkt, spielte in der U17 kaum. Doch er biss sich durch in der U19, wurde Stammspieler und 2017 deutscher Vize-Meister – nach einem Halbfinalsieg samt Eigentor gegen Schalke 04 und einem Endspiel vor 33 450 Zuschauern in Dortmund. Der Lohn: Ein Profivertrag bei den Bayern, wo er zwar ohne Einsatz blieb, sich aber Deutscher Meister 2018 nennen darf.
Schritt zurück nach vorne für Felix Götze
Dann im Sommer der Wechsel zum FC Augsburg, was nach Rückschritt klingt. „Ist es aber gar nicht“, findet Götze. In München sei die Konkurrenz größer, ebenso der Druck, jedes Spiel gewinnen zu müssen. „Hier ist alles etwas entspannter, deswegen war es für mich eher ein Schritt nach vorne“, sagt Götze. „Ich habe jetzt meine ersten Spielminuten gemacht, mein erstes Tor geschossen, ich kann mich also nicht beklagen.“ Noch liegt im Kampf um den Stammplatz Rani Khedira vor ihm, auch Bruder eines 2014er-Weltmeisters. Götze stellt keine Ansprüche, ist aber selbstbewusst: „Ich habe in den vergangenen Monaten gezeigt, dass ich ganz gut kicken kann“, sagt er. „Damit will ich einfach weitermachen, damit man meinen Namen dann auch kennt.“ Zum Beispiel in Dortmund „2:1 für uns“, tippt er als Ergebnis und lacht. „Es wäre ja schlecht, wenn ich jetzt etwas anderes sagen würde.“
Autor: Sebastian Weßling