Fabian Giefer verließ das Stadion nach den vielleicht schwärzesten Minuten seiner Karriere keineswegs fluchtartig. Der Torwart des FC Augsburg nahm sich Zeit für Autogramme und machte Selfies mit Fans, sprechen wollte er aber nicht über die aus seiner Sicht grausame Szene beim 2:3 (2:1) gegen Werder Bremen. "Selbst Manuel Neuer hat sich schonmal einen reingeschmissen, das ist halt so", sagte FCA-Manager Stefan Reuter milde, als er die entscheidende Situation beurteilte.
Eine vollkommen harmlose Hereingabe von Bremens Max Kruse hatte Giefer in der 75. Minute unerklärlicherweise durch die Beine gelassen, dahinter stand Davy Klaassen und schob unbedrängt zum Siegtor für Werder ein. Für Augsburg war eine starke Leistung mit den Toren von Ja-Cheol Koo (45.+3) und Philipp Max (47.) am Ende nichts wert. "Ich möchte nicht in seiner Haut stecken", sagte FCA-Verteidiger Martin Hinteregger über den Pechvogel im Tor, der zunächst Pfiffe des eigenen Anhangs erlebte, aber kurz darauf auch wieder aufmunternde Rufe.
"Mit dem Mensch fühle ich in solchen Situationen natürlich mit" Augsburgs Trainer Manuel Baum war emotional so mitgenommen, dass er zeitweise den Tränen nah schien, er bezeichnete diesen Samstag als "mit das Schwierigste, was ich bisher mitgemacht habe." Seine Einlassung zu Giefer war zweigeteilt. "Mit dem Mensch fühle ich in solchen Situationen natürlich mit", sagte Baum, um jedoch unmissverständlich anzufügen: "Seine Leistung hat er jetzt zweimal nicht gebracht."
Denn, und das verstärkte die Wirkung von Giefers Aussetzer noch, er hatte bereits eine Woche zuvor beim 1:2 in Mainz gepatzt und nun die zweite Niederlage in Folge hauptsächlich zu verantworten. Der FCA hat nach dem vierten Spieltag statt acht nur vier Zähler. "Wir stehen jetzt nach zwei Spielen mit so heftigen individuellen Fehlern mit null Punkten da und es hätten mindestens vier sein müssen", sagte Baum, der über mögliche Konsequenzen nicht sofort nachdenken wollte.
Am Dienstag aber wartet das ungleiche Duell beim FC Bayern - und mit einem Unsicherheitsfaktor im Tor wird eine Sensation noch unwahrscheinlicher als ohnehin. "Diese Diskussion führen wir nicht", wiegelte Reuter bei der Frage nach einem Torwartproblem ab, er sagte vielmehr: "Wir halten zusammen, wenn es schwierig wird." Aber gegen Werder saß nur der 19-jährige Benjamin Leneis auf der Bank, weil der etatmäßige und erfahrene Reservekeeper Andreas Luthe verletzt fehlte.
Ob der am Oberschenkel lädierte Luthe beim Rekordmeister spielen kann, ist ungewiss, ob Leneis schon die Klasse hat, ist diskutabel. "Den Spielern, die bei uns im Kader sind, trauen wir auch zu, auf dem Platz zu stehen", sagte Reuter, bevor er Giefer empfahl, nicht lange zu hadern: "Es ist nicht leicht wegzustecken, aber er muss ruhig bleiben und fleißig arbeiten, das ist das A und O."
Ruhig bleiben ist auch das Motto an der Weser, obwohl die Grün-Weißen auch dank der Treffer von Kruse (34.) und Maximilian Eggestein (36.) erstmals seit 13 Jahren nach vier Bundesligaspielen ungeschlagen und vorerst in der Spitzengruppe platziert sind. Die Tabelle, sagte Manager Frank Baumann, "interessiert mich nicht." Da nahmen die Bremer wie Trainer Florian Kohfeldt lieber Anteil an der Gefühlswelt von Giefer: "Das wünscht man keinem, das ist das Brutalste. Ich hoffe, dass der Junge den Kopf oben behält." sid