Berlin ist immer eine Reise wert. Und wohl keiner aus der Reisegruppe Eintracht Frankfurt, die am Donnerstag am Terminal 1 des Frankfurter Flughafens den Flieger bestieg, hat dem Hauptstadt-Trip so entgegengefiebert wie Kevin-Prince Boateng. Unter den Slogan „Die Rückkehr der Adler“ – verziert mit einem eigenen Logo – hat der Klub sein zweites Pokalfinale nacheinander überschrieben, doch für den neuen Anführer ist es das erste Mal. Mit der Eintracht. Und in seiner Karriere überhaupt.
Vorsicht, ich bin immer noch der Bad Boy.
Kevin-Prince Boateng
Dieses vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) von Jahr zu Jahr gefühlt pompöser inszenierte Event „wollte ich schon immer mal spielen“, sagt der in Berlin geborene Deutsch-Ghanaer. „Es ist sehr, sehr besonders.“ Bisher war der ehemalige Schalker immer nur Fernsehzuschauer. Mit 31 Jahren in einem Endspiel gegen den FC Bayern (Samstag, 20 Uhr/ARD) im Zentrum des Geschehens zu stehen, als verlängerter Arm des zu den Bayern wechselnden Trainers Niko Kovac und vor allem als gereifte, anerkannte Persönlichkeit zu gelten – das hat was.
Von Freunden, Bekannten und Verwandten hätte er so viele Kartenwünsche bekommen, „da hätte ich einen halben Block füllen können, mindestens 7000“. Am Samstag werden 74 352 Zuschauer im Olympiastadion sein, „die Stimmung wird brutal“. Boateng hat das in Frankfurt gespürt. „Es gibt keinen Tag, an dem mir nicht jemand auf der Straße Glück wünscht.“
Sein Halbbruder Jérôme wäre normalerweise am Samstag sein Gegner, aber der kuriert eine strukturelle Verletzung im Oberschenkel aus. Das Bruder-Duell fällt also aus. „Für die Familie ist das traurig, für Eintracht Frankfurt ist das besser“, sagt Kevin-Prince grinsend, schließlich sei Jérôme einer der besten, wenn nicht der beste Innenverteidiger der Welt. Sie schreiben sich regelmäßig. Aufgewachsen sind beide im Wedding. Die Boateng-Brüder haben eine Sozialisation auf Bolzplätzen und in einem Stadtteil erlebt, in dem oft das Recht des Stärkeren galt. Flausen hatte der ältere Boateng mehr im Kopf als der jüngere, weshalb es sein Glück war, dass er irgendwann mit Niko Kovac, seinem aktuellen Trainer, zusammenspielte.
Von der Stadt aufs Land
Sie sind gerade in dieser Saison wie zwei Brüder im Geiste, und dass die Eintracht in dieser Saison eine schwer zu packende Einheit war, lag wohl auch an dem Regiment, das jeder auf seine Art führte. Frankfurts Nummer 17 erzählt, dass sich das bald in München tätige Trainergespann Niko und Robert Kovac auf ein Rollenspiel eingelassen hätte. Der eine „Good Guy“, der andere „Bad Guy“: „Robbi ist locker. Niko ist eher der Strenge.“ In diesem Zusammenhang merkt der Geradeaus-Charakter grinsend an, dass er sich nicht um 180 Grad gedreht habe. „Vorsicht, ich bin immer noch der Bad Boy.“ Oder war das nur Spaß?
Boatengs Vertrag in Frankfurt läuft noch bis 2020, und bislang gibt es keine Anzeichen, dass er ihn nicht erfüllt. Vorausgesetzt, das Knie spielt mit. „Wenn ich merke, dass ich mit den Jungspunden nicht mehr mithalte, dann höre ich freiwillig auf.“ Dass er danach im Metier bleiben möchte, steht für ihn fest: „Ich kann nur Fußball, ich denke Fußball, ich lebe Fußball. Ich bin kein Anwalt!“ Und eines steht für ihn – bei aller Liebe zu Berlin – auch fest: Leben möchte er in der boomenden Metropole nicht mehr. „Zentrum, große Stadt“, sagt er, sei nichts mehr für ihn. Sondern? „Raus aufs Land.“ Weit weg von da, wo er herkommt und seit Donnerstag wieder ist.