Der Blick fahrig, die Stimme brüchig, die eine Hand knetete die andere. Der sonst so gewandt in der Öffentlichkeit auftretende Trainer von Borussia Dortmund war kaum wiederzuerkennen.
Doch seine Worte waren umso deutlicher: "Die erste Halbzeit war nahezu das krasse Gegenteil von dem, was wir wollten", sagte er. "Wie Hertha spielen würde, war klar, ebenso, wo sie die Zweikämpfe führen würden. Das bedeutet, dass man diese Räume nicht bespielen darf." Doch genau das taten die Dortmunder, was unter anderem zum Gegentor durch Julian Schieber (40.) und einer weiteren Großchance durch Roy Beerens führte (45.). Und nach vorne gelangen kaum klare Aktionen. Klopp kurz und bündig: "Das war der falsche Weg."
Auch BVB-Spielgestalter Ilkay Gündogan gelang in Berlin wenig Es war ungewohnt harsche Kritik durch den Mann, der seine Mannschaft sonst auch nach schwachen Spielen in Schutz zu nehmen pflegt. In Berlin aber hatten ihn seine Spieler offensichtlich schwer enttäuscht, hatten einen ebenso beklagenswerten Eindruck hinterlassen wie später ihr Trainer. Gerade in Durchgang eins war in keiner Sekunde zu erkennen, dass der BVB, wie zuletzt so oft beschworen, den Abstiegskampf angenommen hätte. Es fehlte an Aggressivität, an Intensität, an Tempo - kurz: an den so oft beschworenen Grundtugenden des Fußballs.
Spielerisch war der Auftritt ebenso enttäuschend: Die Schwarz-Gelben hatten zwar häufig den Ball, wussten aber selten etwas damit anzufangen. Da wurde quer und zurück gespielt oder der Ball lang nach vorne geschlagen. Auch dem zuletzt so überzeugende Spielgestalter Ilkay Gündogan gelang wenig. Und die wenigen Chancen wurden wieder einmal vergeben. Das Spiel war der Tiefpunkt einer an Negativerlebnisse reichen Saison - der ambitionierte BVB steht nun nach 15 Spieltagen auf Relegationsrang 16 und hatte in Berlin auch dementsprechend gespielt.
"Beschissen, was soll ich anderes sagen", fasste Mittelfeldspieler Sven Bender die Situation so knapp wie präzise zusammen. "Wir nehmen uns einen Haufen vor, zerstören das aber selbst." Immer wieder habe man Hertha zu Chancen eingeladen. "Hertha hat einfach tief gestanden und auf unsere Fehler gewartet", ergänzte Lukasz Piszczek.
Und dass die Fehler kommen, darauf kann sich ein Gegner derzeit fast schon verlassen. Dieses Mal war es ein Ballverlust im Mittelfeld von Rückkehrer Jakub Blaszczykowski, der das 0:1 einleitete. "Er war gedoppelt, das war keine einfache Situation für ihn", verteidigte Piszczek seinen Mannschaftskameraden. "Wir sollten jetzt aber keinen Sündenbock suchen, wir gewinnen und verlieren als ganze Mannschaft." Doch dabei ließ es der Rechtsverteidiger nicht bewenden: "Der Ball darf nicht dahin kommen", sagte er - womit in Passgeber Neven Subotic dann doch ein Schuldiger relativ klar herausgearbeitet war.
Der einzige, der positive Worte für den BVB-Auftritt fand, trug am Samstag ein weiß-blaues Trikot. "Ich weiß, dass die Jungs eine unglaubliche Qualität haben und es viel besser machen können", sagte Julian Schieber, im Sommer aus Dortmund nach Berlin gewechselt. "Sie stehen immer noch zu Unrecht so weit unten."
Doch solche Sätze will Trainer Klopp nicht mehr hören. "Ich höre im Wochenrhythmus, was für eine großartige Mannschaft wir haben und davon sind wir auch nach wie vor überzeugt", sagt er. "Aber diese großartige Mannschaft hat auch großartige Probleme." Nach und nach haben die Verantwortlichen daher in den vergangenen Wochen den Ton verschärft, nach innen wie außen - und mit dem Wechsel von Weltmeister und Doublesieger-Torhüter Roman Weidenfeller zu Mitch Langerak hat Klopp ein deutliches Zeichen gesetzt, dass Verdienste der Vergangenheit in der aktuellen Lage nichts zählen.
Doch auch das scheint zu verpuffen. Die Dortmunder Hoffnung liegt nun darin, in den verbleibenden Spielen bis zur Winterpause möglichst viele Punkte zu sammeln, um dann mit besserer Ausgangslage und einer guten Wintervorbereitung im Rücken den Tabellenkeller zu verlassen. Angesichts des Auftritts in Berlin stellt sich allerdings die Frage, wie der BVB an diese Punkte kommen soll, noch dringlicher als je zuvor. Die Verunsicherung in der Mannschaft ist groß - das zeigt schon die Tatsache, dass in der laufenden Saison noch kein Spiel nach einem Rückstand gedreht werden konnte. Und keiner der BVB-Akteure ist vor dramatischen Fehlern gefeit.
Trainer Klopp machte bei seiner Generalabrechnung nur eine Ausnahme und pries die Fans, die die Mannschaft auch dieses Mal enthusiastisch unterstützt haben. "Unsere Zuschauer haben sich noch überhaupt nichts zuschulden kommen lassen", sagte er - und schob nach: "Das kann ich von uns nicht behaupten."