Thomas Doll, was reizt sie an der Aufgabe beim BVB? Ich denke, dass so ein Verein wie Borussia Dortmund, der gerade in dieser Situation steckt, gerade mich kontaktiert hat, ist schon eine tolle Sache. Für den Klub war es bisher kein gutes Jahr, aber in der Vergangenheit ist hier richtig die Post abgegangen. Es fanden viele internationale Spiele statt, ich selbst erinnere mich gern an meine aktiven Auftritte in diesem Stadion. Da muss kein Trainer der Welt groß nachzudenken, zumal ich das Gefühl habe, dass hier etwas aufgebaut werden kann. Der Klub ist auch international eine ganz, ganz große Adresse.
Lassen Sie sich dabei vielleicht nicht etwas vom dem einstigen Ruhm der Borussia blenden, der in den letzten Jahren reichlich verblasst ist? Sie haben schon recht, wenn Sie sagen, dass wir nicht von den Erfolgen der Vergangenheit leben können. Die machen sich auf dem Briefkopf oben recht gut, auf die kann man zudem wirklich stolz sein, aber jetzt muss man sich wieder alles hart erarbeiten. Aber wenn ein Verein an die Champions League oder UEFA-Cup-Ränge klopft, dann wird in der Regel auch kein neuer Coach verpflichtet.
In Dortmund müssen Sie aber an vielen Baustellen arbeiten. Deshalb muss man die Spieler jetzt auch nicht allein lassen, sie benötigen Hilfe und klare Vorgaben, die ich als Trainer reiche und fordere. Nur dann kann man wieder erfolgreich Fußball spielen. Jedem muss bewusst werden, dass wir alle in einem Boot sitzen und Professionalität demonstrieren müssen. Wir trainieren einmal, manchmal zweimal am Tag, da kann ich von jedem erwarten, dass er alles gibt und das auch im Spiel anschließend umsetzt. Im Fußball mangelt es manchmal an Selbstkritik. Von Leidenschaft und Wille muss keiner erst reden, diese Tugenden sind für mich eine Grundvoraussetzung. In erster Linie muss das Selbstvertrauen zurückkommen. Jeder Fußballer braucht sine eigene Motivation.
Jede Mannschaft aber auch Führungsspieler. Roman Weidenfeller sieht in dieser Hinsicht Defizite, Sie auch? Nein, wir habe einige Typen dieser Art in der Mannschaft, aber die können ihre Aufgabe lediglich dann wahrnehmen, wenn sie fit und nicht verletzt sind. Nur wenn ich selbst Powerfußball bringe, kann ich andere mitziehen. Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Mich hat man ebenfalls in diese Rolle reingedrängt. Ich wollte sie auch annehmen, aber nach einer langen Verletzungspause war das zunächst nicht möglich. Aber es ist richtig, wir brauchen Typen, die vorne weggehen, auch verbal. Spieler untereinander können sich wesentlich positiver mitreißen als ein Trainer von außen. Auf dem Platz müssen sie verbale Kommandos geben und auch laut werden.
Ihr Vorgänger Jürgen Röber hat immer darauf hingewiesen, dass ihm ausreichend Zeit zur Umsetzung seiner Vorstellung fehlte. Sie haben noch weniger Zeit. Mir reicht sie, auch weil ich es ohnehin nicht ändern kann. Die Zeit, die mir zur Verfügung steht, werde ich nutzen, um gut vorbereitet in die Partie in Bielefeld zu gehen, sowohl mit Theorie und Praxis als auch mit Videoanalysen. Darauf lege ich meine ganze Konzentration. Das Team muss das dann von Anfang an umsetzen.
Eine Vorgabe, das dem Mittelfeld bisher sehr schwer gefallen ist, weil es bisher die größte Problemzone war. Deshalb werden wir uns etwas einfallen lassen. Wir werden insgesamt den Druck nach vorne erhöhen und torgefährlicher werden, nicht nur die Stürmer.
Sie müssen in dieser Saison mit einer Mannschaft arbeiten, die sie nicht nur im Mittelfeld nicht zusammengestellt haben. In der kommenden Spielzeit kommen mit Giovanni Federico und Jakub Blaszczykowski zwei Akteure dazu, die vor Ihrer Zeit verpflichtet wurden. Ein Problem für Sie? Nein, das sind doch prima Jungs. Der eine ist polnischer Nationalspieler, der andere spielt eine überragende Saison in der zweiten Liga. Alles andere werden wir dann besprechen und in Angriff nehmen, wenn die Zeit gekommen ist.
Bis dahin müssen Sie der Mannschaft auch den Heimkomplex ausgetrieben haben. Wie kann das gelingen? Indem wir von Anfang an mutig und aggressiv zu Werke gehen, uns vorwiegend in der gegnerischen Hälfte aufhalten und uns viele Standardsituationen erarbeiten. Mit gelungenen Eins-zu-eins-Situation können wir mehr Druck ausüben. Wenn die Zuschauer das alles spüren, spielen wir in einem Stadion, in dem jeder gegnerische Spieler dieser Welt weiche Knie bekommt.
Genau diese imposante Kulisse ist die Tristesse leid und ist heiß auf Erfolge. Wann kommen diese wieder? Ich glaube, diese Überlegungen sind im Moment fehl am Platz. Unsere Konzentration gilt zunächst einem anderen Ziel, wir müssen den Klassenehralt sichern, da wir uns im Moment in anderen Sphären aufhalten. Wenn der erreicht ist, sehen wir weiter, aber in der Bundesliga gibt es viele Vereine, die gut aufgestellt sind und entsprechen planen.
Hatten Sie bei Ihrer Entscheidung, dem BVB zuzusagen, nicht irgendwo im Hinterkopf, in Dortmund auch eventuell Ihren Ruf zu verspielen? Mein Ruf ist mir ehrlich gesagt nicht so wichtig. Als ich beim HSV vom Amateur- zum Cheftrainer befördert wurde, habe ich gar keine Zeit gehabt, darüber nachdenken, dass nach fünf sechs Spielen die große Fußballwelt für mich vielleicht der Vergangenheit angehören könnte. Ich freue mich über solche Herausforderungen, sie motivieren mich und blockieren keineswegs. Außerdem stehe ich auf dem Standpunkt, dass jeder, der Tag für Tag intensiv und hart arbeitet, auch irgendwann mit Erfolg belohnt wird. Wenn nicht, dann kann ich immer noch sagen, ich habe es immerhin probiert und alles dafür gegeben. Ich möchte mich irgendwann mit 65 Jahren bei einem Glas Rotwein nicht darüber ärgern, dass ich es damals nicht versucht habe.