Vor knapp zwei Jahren wurde beim Lokalderby gegen Fenerbahce in der Türk Telekom Arena eine Lautstärke von 131,76 Dezibel gemessen.
Baris Özbek war bei diesem historischen Spiel dabei. Von 2007 bis 2011 lief der Castrop-Rauxeler für den türkischen Meister auf, bevor er die Farben wechselte und zu Trabzonspor wechselte. Seit Beginn der Rückrunde spielt der ehemalige U21-Nationalspieler wieder in Deutschland.
Im Interview mit RevierSport erzählt der 26 Jahre alte Mittelfeldspieler von Union Berlin, worauf sich die Königsblauen in Istanbul einstellen müssen. Und warum er trotz der sportlichen Krise gute Chancen für ein Weiterkommen der Knappen sieht.
Baris Özbek, was sagt Ihnen der 18.März 2011?
Sie meinen das Spiel gegen Fenerbahce? Ich habe insgesamt 13 Derbys gegen Fenerbahce oder Besiktas bestritten. Die waren alle verrückt und emotional. Aber das war unglaublich. Es war das erste Duell gegen „Fener“ in der Türk Telekom Arena. Acht Wochen vorher hatte ich bei unserem ersten Pflichtspiel überhaupt in unserem neuen Stadion die Vorlage zum 1:0-Siegtreffer von Servet Cetin gegen Sivasspor gegeben. Da überkam mich schon eine Gänsehautgefühl. Aber dieses Spiel war der Wahnsinn. Die Fans wussten vorher Bescheid, dass im Stadion die Messgeräte aufgestellt waren. Es war so laut, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen konnte. Und es hat ja dann auch geklappt mit dem Rekord.
War das ihr emotionalstes Derby?
Eingeprägt hat sich vor allem das letzte Saisonspiel 2007/2008. Wir mussten das Spiel unbedingt gewinnen, damit wir und nicht Fenerbahce Meister werden. Bis 20 Minuten vor dem Ende stand es 0:0. Als dann aber das 1:0 für uns fiel, überschlugen sich die Ereignisse. Wenn man ein Derby verliert, sollte man sich dagegen am besten eine Woche nicht sehen lassen. Es kann sein, dass man sonst beleidigt oder sogar körperlich angegriffen wird. Bei den Lokalderbys kennen die heißblütigen türkischen Fans kaum Tabus. Worauf muss sich die Schalker Mannschaft am Mittwoch einstellen? Schalke erwartet die Hölle auf Erden. So etwas werden die meisten Spieler noch nicht kennen. Die Fans werden die eigene Mannschaft unaufhörlich nach vorne puschen. Bei Schalker Ballbesitz wird es ein ohrenbetäubendes Pfeifkonzert geben. In Deutschland sind die Stadien auch immer voll, aber was bei Galatasaray abgeht, etwas Vergleichbares gibt es hier nicht.
Sie kennen die türkische Mentalität. Mit welcher Einstellung wird ‚Gala‘ ins Spiel gehen?
Die Schalker müssen wissen, dass Galatasaray das Weiterkommen schon in der heimischen Türk Telekom Arena erzwingen will. Es wird kein großes Taktieren geben. Das geht bei diesen Fans auch gar nicht. Galatasaray wird versuchen, Schalke zu überrennen und schon im Hinspiel alles klar zu machen. Gerade nach den Verpflichtungen von Wesley Sneijder und Didier Drogba ist die Euphorie rund um den Verein riesengroß. Das kann aber auch eine Chance für Schalke sein.
Wen sehen Sie in der Favoritenrolle?
Ich sehe in diesem Duell keinen klaren Favoriten. Klar, hat sich Galatasaray gut verstärkt. Aber Drogba ist mit seinem 34 Jahren nicht mehr der Drogba aus Chelsea-Zeiten und Sneijder hat ein halbes Jahr kaum gespielt. Außerdem ist bei den Türken ist immer die Gefahr da, dass sie überdrehen. Schalke braucht sich da sicher nicht zu verstecken.
Aber S04 steckt in einer schlimmen Krise!
Die Bundesliga ist eine der besten Ligen der Welt. Deshalb haben türkische Mannschaften einen riesigen Respekt vor deutschen Teams. Nicht umsonst hat Deutschland vier Optionen für die Champions-League. Und ich glaube, die Krise in der Bundesliga wird sich auf diese zwei Spiele nicht auswirken. Die Champions League ist etwas ganz besonderes. Wenn Schalke kühlen Kopf behält und vielleicht in Istanbul ein Tor erzielt, sehe ich eine realistische Chance, dass Schalke weiterkommen kann.
Auf wen müssen die Knappen besonders aufpassen?
Burak Yilmaz hat sich zu einem echten Topstürmer entwickelt. Ich habe zwar nicht mehr mit ihm zusammengespielt, aber gegen ihn. Er ist schnell und hat einen guten Abschluss. Auf ihn müssen die Schalker Acht geben.
Haben Sie noch Kontakte nach Istanbul?
Den einen oder anderen Spieler kenne ich noch. Außerdem stammt meine Frau aus Istanbul. Sie hat dort für den türkischen Fußballsender Lig TV als Sprecherin gearbeitet.
In der Winterpause sind Sie von Trabzonspor zu Union Berlin gewechselt. Was waren Ihre Gründe für den Sprung vom Schwarzen Meer an die Spree?
Ich bin zu Beginn der Saison 2011/2012 zu Trabzonspor gegangen, weil ich unbedingt in der Champions League spielen und mich dort weiterentwickeln wollte. Dann habe ich mich bereits im ersten Training schwer verletzt. Nach meinem Kreuzbandriss bin ich dort nicht mehr richtig in Tritt gekommen. Ich hatte in Istanbul vier schöne Jahre, aber in Trabzon bin ich mit dem gesamten Umfeld nicht so zurecht gekommen. Außerdem werde ich in wenigen Monaten Vater. Auch deshalb wollte ich jetzt gerne nach Deutschland zurück. Hier lebt meine Familie.
Die zweite Liga als Neuanfang?
So kann man das sehen. Ich hatte auch Angebote aus der Bundesliga. Aber nach den Enttäuschungen in Trabzon war es mir wichtig, wieder mit Menschen zusammenzuarbeiten, denen ich vertrauen kann. Trainer Uwe Neuhaus und den kaufmännisch-organisatorischen Leiter Nico Schäfer kenne ich noch aus meiner Zeit bei RW Essen. Ich habe mich deshalb vom ersten Tag an in Berlin sehr wohl gefühlt. Außerdem ist Union ein ambitionierter Verein mit hohen Zielen. Ich bin mir sicher, dass ich da alles richtig gemacht habe.