Am Ende eines fast perfekten Jahres war bei Fortuna Düsseldorf Zeit für Besinnlichkeit. Die Fans sangen noch einmal siegestrunken die Toten-Hosen-Hymne "Tage wie diese", der Matchwinner Ken Ilsö berichtete von seinem Traumfreistoß, und sehr viele dachten zurück an die verrückt-chaotischen Relegationsspiele gegen Hertha BSC. Norbert Meier jedoch war nach dem 2:1 (1:0) gegen Hannover 96 zum Hinrunden-Abschluss für Sekunden so bissig wie nach einem Abstieg.
"Ich frage mich, ob ich mir Strähnchen machen lasse, so viele graue Haare bekomme ich! Es ist unfassbar, wenn ich sehe, wie man so verantwortungslos sein kann", schimpfte der Trainer während der Pressekonferenz. Sein Opfer: Aushilfs-Innenverteidiger Adam Bodzek. Das Vergehen: ein Fehlpass beim Stande von 0:0.
Mit etwas Abstand besann sich aber auch der Trainer auf die "nötige Nächstenliebe", gespielt gnädig verkündete er: "Das Team hat sich verdient, an Heiligabend trainingsfrei zu haben." Das war vor allem das Verdienst von Ken Ilsö. Der Spielmacher, der aussieht wie ein Boygroup-Sänger, traf in der 83. Minute aus 20 Metern genau in den Winkel.
Dabei war es nicht ganz so wie bei Bayern München, wo um Freistöße schon mal Schnick-Schnack-Schnuck gespielt wird, nein, vor dem Siegtor ging es doch etwas herzhafter zur Sache. "Stefan Reisinger hat mich provoziert, ich würde eh nicht treffen", sagte Ilsö. Seine Reaktion: "Halt die Schnauze - dann habe ich das Ding reingemacht."
Und so konnte der Däne seine beiden eigens für das Spiel angereisten Cousins am Abend auf ein Altbier einladen und eine wahlweise "sensationelle" (Torhüter Fabian Giefer), "überragende" (Leon Balogun) oder "unfassbare" (Andreas Lambertz) Hinrunde auch gebührend begießen. Manager Wolf Werner konnte es kaum glauben - 21 Punkte bedeuten vielleicht schon mehr als die halbe Miete im Kampf gegen den Abstieg.
"Schicki-Micki-Fußball"? Nicht in Düsseldorf
"Ich bin hier hingekommen, um diesen Verein aus der 3. Liga zurück in die 2. Liga zu bringen", sagte der 70-Jährige, "dass wir jetzt in der Bundesliga sind und solch eine Halbserie spielen, ist unglaublich." 2004 war die Fortuna noch viertklassig, der Aufstieg verlief derart atemberaubend, das manchmal jemand bremsen muss, ehe noch alle durchdrehen.
"Schicki-Micki-Fußball" jedenfalls, forderte Norbert Meier, dürfe nicht Einzug erhalten. Und, übrigens, Montagmittag, am Tag vor dem Pokal-Achtelfinale bei Drittligist Kickers Offenbach, sei natürlich keine Pressekonferenz: "Da gibt's immer Kartoffelsalat mit Würstchen, das habe ich satt." Das Augenzwinkern verriet, dass noch keine Zeit für Schampus ist.
Ganz andere Sorgen hat Mirko Slomka. Nicht nur, weil seiner Mannschaft am Mittwoch die deutlich schwierigere Pokalaufgabe bei Borussia Dortmund bevorsteht, sondern auch, weil seine Mannschaft gerne Punkte verschenkt. "Wir müssen viel cleverer werden", sagte der neue Bundesliga-Rekordtrainer der 96er (101 Spiele), "auswärts auch einfach mal ein 1:1 mitnehmen." So überwintert "96" im grauen Mittelfeld der Liga.