Küsschen und Konfettiregen bei der Meisterfeier, Torjubel, schmeichelnde Interviews. Ein Bild von der La Ola am Samstag ist nicht zu finden. Man musste auch zweimal hinschauen, um wirklich den Kuriositätenwert zu erkennen: Großkreutz, seines Zeichens so ziemlich der dortmundigste Dortmunder Dortmunds, warf die Arme hoch, und die Fans des 1. FC Köln taten es ihm nach. Dabei war der FC gerade 5:0 weggefidelt worden.
"Die Kölner liegen mir ein bisschen am Herzen", sagte Großkreutz zur Erklärung, als wäre es nichts, mit dem hoffnungslos unterlegenen Gegner zu feiern. Viel wichtiger war aber, dass dem 23-Jährigen vor der Südtribüne mal wieder 50.000 gelb-schwarze Arme entgegenflogen. Denn sonderlich viel Anlass zum Jubeln hatte es für Großkreutz in den vergangenen Wochen nicht gegeben.
Je kürzer die Haare, desto geringer der Erfolg, dies schien zuletzt die Großkreutz-Gleichung zu sein. Dazu passt, dass er sich bei der Meisterfeier eine Glatze rasieren ließ und in Zeiten der Krise plötzlich mit einem Irokesen herumlief. "Ich will ein Zeichen setzen!", sagte er, und mit Verspätung hat es funktioniert.
Ein "Scheißgefühl" hatte Großkreutz beschlichen, als der Neuzugang Ivan Perisic ihn mit guten Leistungen verdrängte - da half auch das Tattoo mit der Dortmunder Skyline auf der Wade nichts, gekrönt vom Fernsehturm Florian. "Ich sitze draußen und kann nicht helfen", sagte Großkreutz vor der 0:3-Niederlage in der Champions League bei Olympique Marseille. Er bekam seine Chance und war nach 63 Minuten wieder draußen.
Ansonsten wurde er eingewechselt, wenn überhaupt. Ausgewechselt, schwach, eingewechselt, nicht dabei, eingewechselt, das waren in Kürze die Spieltage vier bis acht. Der Schwung war plötzlich weg, der Antritt, die Power, die sich aus Leidenschaft speiste. Daraus hat er gelernt. "Ich muss damit umgehen, noch mehr Gas geben. Dann wird mich diese Phase stärker machen." Er scheint auf dem besten Weg.
Gut in Bremen, zwei Torvorlagen gegen Köln, und die Niederlage bei Olympiakos Piräus 82 Minuten lang von der Bank zu verfolgen, war sicherlich nicht schön, aber vielleicht noch das beste, was einem BVB-Spieler an diesem schwarzen Tag passieren konnte.
Der Formverfall hatte allerdings auch dazu geführt, dass Großkreutz höchstens noch gestreift wurde, wenn Bundestrainer Joachim Löw sich umschaute, welche Spieler er berufen könnte. Auf drei Länderspiele hat Großkreutz es seit Mai 2010 gebracht. Es sollen mehr werden. Das wäre auch gut für die Homepage - unter der Rubrik "Augenfutter" trägt der Ur-Dortmunder die Haare im DFB-Trikot noch als Nackenspoiler.