Als Entdecker dieses Supertalents kann sich Ricken, der einst selber als eine Hälfte des Baby-Sturms mit der Borussia Deutscher Meister wurde, dennoch nicht feiern lassen. Denn (fast) jedem im Verein war bewusst, was für ein Juwel dort Woche für Woche für die Jugendteams der Borussia auflief.
So war es auch nur eine Frage der Zeit, bis Jürgen Klopp auf Götze, dessen Vater einst mit der Familie aus Memmingen nach Westfalen gezogen war, aufmerksam wurde. Zunächst durfte er bei den Profis mittrainieren, in der letzten Saison 46 Minuten Bundesligaluft schnuppern, ehe er in dieser Saison in Rekordzeit den großen Durchbruch schaffte. Seit dem zehnten Spieltag stand er immer in der Startelf der Schwarz-Gelben, erzielte sechs Tore und bereitete 14 weitere vor.
In der Ukraine – weit, weit weg von der Heimat – hatte Mario Götze dabei seinen ersten ganz großen Auftritt im Dress der Dortmunder Borussia. Dank seines Last-Minute-Treffers, Götzes zweitem Tor an diesem denkwürdigen Abend, siegte der BVB im ersten Spiel der Europa-League-Gruppenphase bei Karpaty Lviv mit 4:3. Dabei hatte er kurz zuvor noch einen üblen Schlag abbekommen, litt an Gleichgewichts- und Sehstörungen und verließ nur deshalb nicht den Platz, weil Jürgen Klopp schon drei Wechsel vollzogen hatte.
Fortan also konnte der Hype um den Youngster so richtig beginnen. Trotz aller Lobeshymnen und obwohl er bereits auf vier Länderspiele zurückblicken kann, bemühte sich der BVB sein Supertalent so gut wie möglich von der staunenden Welt fernzuhalten. Interviews gibt der Senkrechtstarter nur selten, meistens beschränkt er sich dabei auf wenige, nicht wirklich aussagekräftige Sätze. Dabei gehört der Edeltechniker durchaus zu der nicht wahnsinnig weit verbreiteten Spezies der intelligenten Profis. Doch der junge Mann weiß schon jetzt, wie das Geschäft läuft, er spielt mit den Medien, gibt kaum etwas von sich preis – und lässt Taten sprechen.
„Mario ist unverkäuflich.“
Wie groß die Wertschätzung für den Senkrechtstarter ist, das stellte Hans-Joachim Watzke erst unlängst noch einmal klar, als er sagte: „Mario ist unverkäuflich.“ Warum, das hatte dieser in der Rückrunde unter Beweis gestellt. Denn im Jahr 2011 trumpfte er ganz groß auf, machte sein ganz persönliches Meisterstück schließlich im Heimspiel gegen Hannover 96. Denn am 2. April war der Signal Iduna Park Mario Götzes große Bühne. Das war ohne Frage sein Tag, seine ganz große Show!
Als einfach gar nichts zusammenlaufen wollte bei der Borussia, Hannover sogar mit 1:0 in Führung ging, da schnappte sich ein 18-Jähriger den Ball, ließ die gesamte Abwehr der 96er stehen wie Slalomstangen und veredelte seinen unglaublichen, unwiderstehlichen, unnachahmlichen Sololauf mit dem Treffer zum 1:1. Es war der Startschuss zu einer furiosen Schlussphase, in der die euphorisierten Borussen die Gäste in ihre Einzelteile zerlegten – dank der Initialzündung Mario Götzes. Es war der Wendepunkt nicht nur in diesem Spiel sondern sogar im gesamten Saison-Endspurt.
„Ey Götze, du bis‘ der neue Messi!“ Es ist noch gar nicht so lange her, da sorgte ein Kiebitz mit Ruhrpottschnauze auf dem Trainingsgelände der Borussia mit seinem Zwischenruf für viel Erheiterung – bei den Fans und bei den wartenden Journalisten, die nach Götzes Gala-Show gegen die Niedersachsen von Jürgen Klopp noch einmal eindringlich ermahnt wurden, den Youngster nicht allzusehr in den Himmel zu loben. Das unternahmen ohnehin seine Mannschaftskameraden. Mats Hummels zum Beispiel befand: „Das war Weltklasse.“
Und spätestens jetzt war ihm genauso klar wie den letzten Zweiflern, dass das was die Fans skandierten tatsächlich realität werden würde: „Deutscher Meister wird nur der BVB.“