Einerseits mussten sich die Dortmunder bei ihrem Keeper Roman Weidenfeller und der Abschlussschwäche der Gastgeber bedanken, dass sie nicht als Verlierer auf die Heimreise geschickt wurden. Andererseits hatten die Borussen in den letzten fünf Minuten durch Lucas Barrios (86.) und Nuri Sahin (90.+1) selbst zwei dicke Möglichkeiten, die Partie vor über 60.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion für sich zu entscheiden.
Verdient wäre der Erfolg indes nicht gewesen, denn es war das Team von Hertha-Trainer Friedhelm Funkel, das über weite Strecken der Partie das Tempo bestimmt und die Richtung vorgegeben hatte. Allein das dringend benötigte Tor wollte trotz bester Chancen durch Theofanis Gekas (21., 40.) und Adrian Ramos (28., 42.) einfach nicht fallen.
„Für uns war das kein fantastischer Tag. Wir haben nur Unentschieden gespielt und das ist in unserer Situation natürlich zu wenig“, ärgerte sich Funkel über die 13. verpatzte Möglichkeit in Folge, einen Heimerfolg einzufahren und nach dem 5:1-Überraschungserfolg in Wolfsburg noch näher an den Relegationsplatz 16 heranzurücken. BVB-Coach Jürgen Klopp sah das Resultat indes trotz der Siege von Bremen und Stuttgart nicht ganz so dramatisch: „Die Hertha war eigentlich in jedem Bereich einen Tick besser als wir, außer in der Foulstatistik. Das sagt schon viel über unser Spiel. Wir können mit dem Punkt leben.“
Angesichts der strittigsten Szene des Spiels war Klopps Sicht der Dinge absolut nachvollziehbar. Denn in der 79. Minute war der Ball doch im Tor von BVB-Keeper Roman Weidenfeller gelandet, nachdem der schwache Innenverteidiger Felipe Santana gepatzt und BSC-Stürmer Gekas schnell reagiert hatte. Doch Schiedsrichter Lutz Wagner verweigerte dem Treffer nach Absprache mit seinem Assistenten die Anerkennung. Die Begründung: Gekas stand im Moment des Befreiungsschlags der Berliner, der zum Tor geführt hatte, im Abseits. Das belegen auch die TV-Bilder. Durch Santanas Eingreifen sei auch keine neue Situation entstanden - so jedenfalls die Regelauslegung von Wagner und seinem Gespann.
Auf den Tribünen brodelte es, doch eine Eruption wie beim Heimspiel gegen Nürnberg, als Berliner Fans nach dem Abpfiff das Spielfeld gestürmt hatten, blieb diesmal zum Glück aus. Nicht aber die Diskussionen um den vermeintlichen Treffer, der dann eben doch keiner war.„Aus meiner Sicht wird passives Abseits einfach zu unterschiedlich gepfiffen. Bereits gegen Nürnberg ist gegen uns entschieden worden, diesmal wieder. Das ist sehr bitter. Zumal es nicht zum ersten Mal vorkommt“, schimpfte Funkel weniger über die Entscheidung von Wagner im speziellen, als vielmehr über die allgemeine Regelsituation.
Unterstützung bekam er von Klopp, auch wenn der 42-Jährige keinen Zweifel an der Richtigkeit des Abseitspfiffs hegte: „Das war ganz klar und zu 100 Prozent Abseits. Felipe Santana hätte diese Drecksaktion nicht gemacht, wenn Gekas nicht hinter ihm gestanden hätte. Das Problem ist aber nicht diese Situation, sondern das passive Abseits. Früher musste man über so eine Szene gar nicht diskutieren. Da wurde Abseits gepfiffen und fertig.“
Während sich die Trainer also zumindest generell einig waren, dauerte die Entscheidungsfindung, ob man nun richtig oder falsch gehandelt habe, beim Schiedsrichtergespann etwas länger. Zunächst wollte sich Wagner zu der Situation äußern, doch die Presse wartete vergebens. Man sei sich uneinig - so die offizielle Begründung für das kollektive Schweigen. Den Dortmundern konnte es recht sein. Denn durch das Remis sind die Chancen, ins internationale Geschäft einzuziehen, weiterhin gewahrt. Der Abstand auf Stuttgart ist zwar um zwei Punkte auf acht Zähler geschrumpft, zugleich machte man jedoch auf die Leverkusener einen Punkt gut. „Ich habe schon von größeren Katastrophen gehört“, nahm Klopp kritische Fragen nach der Beurteilung des Remis daher zumindest äußerlich locker auf.
Innerlich dürfte es dagegen etwas anders ausgesehen haben. Denn zum Scherzen hatte die Leistung der Borussia in Berlin nicht gerade eingeladen.