Am Sonntag hat Bert van Marwijk seinen Jungs frei gegeben. Einige davon werden sich, genauso wie er selbst, das Weltmeisterschaftsfinale im Fernsehen angeschaut haben. Der Niederländer hat schon zuvor der gesamten WM sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt und seine Erkenntnisse aus dem Turnier gezogen. So freute er sich mit David Odonkor über dessen überraschende Berufung: "Für ihn war es eine sehr gute Lernphase."
Gleichzeitig zollte er Italien-Coach Marcello Lippi ein großes Kompliment, auch wenn der einstige Erfolgstrainer von Juventus Turin mit seiner Taktik die deutsche Mannschaft aus dem Turnier kegelte: "Er hat mit den Einwechselungen von Iaquinta und del Piero in der Verlängerung nicht nur das Offensivspiel verstärkt, sondern auch Mut bewiesen und ist dafür belohnt worden." Aber nicht nur einer der Finalgegner entlockt dem früheren Rotterdamer ein Lob, auch die Franzosen haben ihn überzeugt: "An ihrem Beispiel kann man sehen, wie wichtig der Kopf ist. Schon vor vier, spätestens aber vor zwei Jahren haben viele gesagt, die Mannschaft ist zu alt, ihre Zeit ist vorbei. Doch sie haben ihren Stolz wieder gefunden. Wenn man den Spielern in die Augen schaut, dann kam man den erkennen."
Es kommt also nicht ausschließlich auf die sportlichen Qualitäten an: "Psyche und auch Persönlichkeit sind enorm wichtig." In diesem Zusammenhang lobt "BvM" insbesondere seinen Kapitän Christian Wörns: "Bei ihm spielt das Alter keine Rolle. Er ist trotz seiner 34 Jahre immer ein Vorbild. Er ist stets motiviert, hat den Willen zum Erfolg. Diese Eigenschaften machen auch Eindruck auf die Mannschaft."
Doch zurück zum Risiko, das der 54-Jährige besonders in den Fokus rückt: "Die gesamte WM hat gezeigt, dass man mutig agieren muss, um Erfolg zu haben. Das Turnier war meines Erachtens sehr offensiv, wer nicht den Weg nach vorne suchte, der wurde dafür bestraft." Zum Beispiel die südamerikanischen Favoriten. "Argentinien hat im Spiel gegen Deutschland den Fehler begangen, das knappe 1:0 zu verwalten und hat dementsprechende Auswechslungen vorgenommen. Brasilien wollte im Schongang gewinnen. Als sie den Hebel dann umschalten mussten, ist ihnen das nicht gelungen."
Auch das Tempo hat van Marwijk imponiert: "Das hat sich in den letzten 20 Jahren ungeheuer verschärft. Wer heute zu Beginn einer Verlängerung den Fernseher einschaltet, der hätte vor zwei Jahrzehnten geglaubt, es laufen gerade die ersten Minuten der regulären Spielzeit. Überhaupt ist die gesamte Sportwelt physisch stärker geworden." Wer zwischen den Zeilen genau zuhört, der ist sich gewiss, dass der niederländische Fußball-Lehrer genau die Erkenntnisse, die ihn in seiner Philosophie bestätigt haben, ansonsten jedoch nicht weltbewegend waren, "ich habe in diesem Turnier nicht viel Neues entdeckt", beim BVB weiter umsetzen will: "Ich bin ein Freund des offensiven Spiels."
Nur mit dem sogenannten Klinsmann-Konzept kann er nicht viel anfangen: "Ich weiß nicht, was er anders gemacht hat oder können sie es mir sagen. Auch er hat nicht zaubern können, selbst wenn das Erreichte viel Respekt verdient."