Doch bevor ich das, am Ende der Transferperiode noch einmal ordentlich in Schwung geratene, Personalkarussell an der Wedau etwas genauer unter die Lupe nehmen möchte, muss ich zunächst einmal dringend etwas zur ersten Halbzeit gegen die „Kiezkicker“ aus Hamburg loswerden. Auf der Tribüne sitzend traute ich nämlich meinen Augen kaum. Denn das Match, das sich unten auf dem Rasen mehr und mehr zu Gunsten der Gäste zu entwickeln schien, hatte ich bereits schon einmal gesehen.
Am zweiten Spieltag der laufenden Zweitliga-Saison gastierten die „Braunen“ am Aachener Tivoli. Die Alemannia stürmte zunächst los, als ob ein Spiel binnen der ersten zehn Minuten entschieden sein müsste. Und tatsächlich war die Begegnung dann auch zur Halbzeit gelaufen - St-Pauli führte mit 4:0, die Aachener waren völlig perplex. Doch der Gast vom Millerntor hatte das Spiel nicht etwa selbst gemacht, nein, die Herren Naki, Takyi und Ebbers verlegten sich geschickt aufs Kontern und führten die Defensive der Gastgeber ein ums andere Mal gekonnt vor.
Spielstärke unbekannt?
Wem jetzt etwas auffällt, der war wahrscheinlich am Freitag-Abend an der Wedau Fußball gucken. Dass die Aachener zum damaligen Zeitpunkt noch nichts von der Konterstärke der Paulianer wussten, muss nicht unbedingt verwundern, schließlich war der damalige 5:0-Erfolg des jetzigen Tabellenzweiten auf dem Tivoli der erste Auswärtsauftritt in der aktuellen Runde überhaupt. In Duisburg hätte man indes von der Spielstärke des FC St. Pauli schon einmal gehört haben können. Um so trauriger wirkten die verzweifelten Versuche des Duisburger Abwehrverbundes die wirbelnden Gäste vom Torreschießen abzuhalten.
Zugegeben recht spät im Alter von 14 Jahren stand Moritz das erste Mal auf den Treppen des Duisburger Wedaustadions. Die damalige Südgerade gefiel dem Jungen, der 1989 mit seiner Mutter und seinen zwei Geschwistern aus Stuttgart in den "Pott" gekommen war, nicht so recht. Zu kalt, zu nass und viel zu wenig los. Also wechselte Moritz das Terrain. In der legendären Duisburger Nordkurve war es zwar nicht trockener als auf dem alten Platz und selbstverständlich pfiff auch hier der Wind recht frisch, dafür war die Stimmung deutlich besser. Der MSV ist zwar längst zu dem geworden, was sich so harmlos klingend "Fahrstuhl-Mannschaft" nennt, doch Moritz ist den "Zebras" dennoch - oder vielleicht gerade deshalb - treu geblieben und legt nun wöchentlich in seiner Fan-Kolumne Zeugnis über sein blau-weißes Gefühlsleben ab
Speziell die Innenverteidigung und die rechte Duisburger Außenbahn schwächelten in schöner Regelmäßigkeit bedenklich. Dass es für St. Pauli letztendlich nur zu einem 2:0-Sieg in der Fremde reichte, lag zum einen an dem hervorragend aufgelegten Tom Starke und zum anderen an einer nicht ganz optimalen Chancenauswertung der Hamburger. Doch das schlimmste an der schmerzlichen Niederlage gegen den Mitkonkurrenten, sollte nach dem Match in Form eines Interviews mit Holger Stanislawski kommen.
Stanislawski hat recht
Denn der Trainer der Hanseaten hatte natürlich „ein geiles Spiel“ seiner Mannschaft gesehen „mit einem deutlichen Chancenplus für mein Team“ Das schlimme: Stanislawski hatte einfach nur recht. Wer meine Zeilen schon öfter gelesen hat, der wird gemerkt haben, dass ich ein glühender Anhänger des jungen, dynamischen und dazu noch äußerst erfolgreichen Coaches bin. Doch damit nicht genug der schlechten Nachrichten, hatte der darauf folgende Sonntag doch noch ein ganz besonderes Schmankerl für jeden MSV-Fan parat.
Die Tatsache, dass ich zum Ende der Woche einen Tag lang einmal nicht bereits Morgens im Internet unterwegs war, ließ mich die Nachricht des Tages erst am frühen Abend erfahren. Gerade war die Partie zwischen Arsenal London und Manchester United zu Ende gegangen, da hatte ich die Idee per Fernbedienung doch einmal beim Deutschen Sport Fernsehen vorbeizuschauen. Nach einer fünf minütigen Werbung kaum auf der Mattscheibe angekommen, verkündete der Moderator der Sendung „DSF Aktuell“ in aller Ruhe den sofortigen Wechsel von Sandro Wagner zum SV Werder Bremen.
Nicht viel hätte gefehlt und ich wäre samt Wärmflasche und Freundin von der Coach gefallen. Den Rest des Abends habe ich mehr oder weniger damit verbracht die diversen Sender und ihre dazugehörigen Videotexte abzuklappern, um mich von dem so eben gehörten zu überzeugen. Das der SVW im Gegenzug Dusko Tosic und Kevin Schindler leihweise an den MSV abgibt, konnte meine Stimmung zunächst auch nicht verbessern. Mittlerweile habe ich den Schock aber gut verdaut. Wer möchte sich denn nun allen Ernstes über den Last-Minute-Transfer des in München geborenen Stürmers aufregen?
Wer braucht schon einen Linksverteidiger?
Wer sich wie ich schon lange mit Fußball beschäftigt, den können vehement vorgetragene Absichtserklärungen von Fußballern und ihr zumeist gegenteiliges Handeln wahrlich nicht mehr überraschen. Der „Fall Wagner“ passt sich in dieser Beziehung schlicht den vorherrschenden Funktionsweisen des Fußballs an. Dass allerdings ein Spieler hoch offiziell als Neuzugang vermeldet wird, um dann zum vereinbarten Training doch nicht zu erscheinen, ist dann doch ungewöhnlich. Die Rede ist von Dusko Tosic. Der Linksverteidiger fühlte sich beim Deal zwischen dem MSV und den Grün-Weißen übergangen und wechselt nun doch lieber nach England.
Warum Duisburg ausgerechnet einen linken Verteidiger gebrauchen könnte, ist mir sowieso nicht ganz klar, schließlich spielt Oliver Veigneau auf links, im Gegensatz zu Kristoffer Andersen auf der rechten Außenbahn, eine solide Saison. Bleibt zu hoffen, dass am Sonntag in Düsseldorf nicht das nächste Negativerlebnis auf die Meidericher wartet. Alle guten Dinge sind im vorliegenden Fall nämlich bestimmt nicht drei, eine erneute Pleite wäre somit ein grobes Foulspiel an allen Fans des MSV.