Es gibt so manchen Fußballer, der von sich behaupten kann, schon mal ein Erdbeben ausgelöst zu haben, jedenfalls, wenn der Begriff als Sinnbild für die tiefe emotionale Erschütterung einer großen Fangemeinde betrachtet wird. Aber ein echtes Beben, aufgezeichnet von wissenschaftlichen Messgeräten, von Seismographen? Tatsächlich ist dem Peruaner Jefferson Farfan im vergangenen Herbst dieses unglaubliche Kunststück geglückt. Als dem Stürmer während der Play-offs gegen Neuseeland (2:0) jenes kostbare Tor gelang, das dem Land seine erste WM-Teilnahme nach 36 Jahren bescherte, meldete das Erdbebeninformationsportal „Sismoalert“ eine Erschütterung in der Hauptstadt Lima – „genau in dem Moment, in dem Peru das 1:0 gegen Neuseeland schoss“
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Das Stadion, die Stadt, das ganze Land waren in diesem magischen Augenblick in einen Zustand wilder Ekstase gestürzt. „Ich habe noch nie eine solche Zuneigung so vieler Menschen zu einer Mannschaft erlebt“, sagte danach Nationaltrainer Ricardo Gareca, ein Argentinier. Perus damaliger Staatschef Pedro Pablo Kuczynski schenkte seinem Volk einen Feiertag, und die Nachbeben dieses Ausbruchs sind sogar in Moskau zu spüren. Auf den Straßen zwischen Bolschoi-Theater, Kreml und Luschniki-Stadion sind unverhältnismäßig viele Leute mit dem legendären weißen Trikot und der roten Scherpe unterwegs, feiernd, trinkend. An diesem Samstag (18 Uhr/ZDF) beginnt für sie die WM gegen Dänemark, für Farfan eine Art Heimspiel. Der Ex-Schalker, der in Gelsenkirchen zu den Publikumslieblingen zählte, spielt mittlerweile bei Lokomotive Moskau und wurde auch dort sofort zum Helden.Erik Stoffelshaus, der elf Jahre als Teammanager bei dem Gelsenkirchener Traditionsverein arbeitete, ist heute Sportdirektor bei Lokomotive und hat den mittlerweile 33-jährigen Angreifer in die russische Hauptstadt gelockt. Umgehend wurde der eher kleine Klub Pokalsieger und in diesem Frühjahr dann sogar russischer Meister. Eine kleine Sensation – mit dem Schlüsselspieler Farfan. „Jeff hat sehr viele entscheidende Tore geschossen, Siegtreffer, Führungstore, und im entscheidenden Spiel hat er in der 88. Minute den siegbringenden Angriff eingeleitet“, erzählt Stoffelshaus, der ungefragt darauf hinweist, wie professionell Farfan inzwischen arbeite.
Das war nämlich nicht immer so. Mal verlängerte er eigenmächtig seinen Urlaub, mal wurde er aus der Nationalmannschaft ausgeschlossen, weil er sich bei einem heimlichen Kasinobesuch erwischen ließ – er war immer ein Freund des Nachtlebens und liebt schnelle Autos. Als der Angreifer, den sie in Peru liebevoll „La Foquita“ (das Seehündchen) rufen, 2015 nach Abu Dhabi zu Al-Jazira wechselte, wurde ihm auf Schalke aber vor allem von Romantikern, von Liebhabern des schönen Spiels nachgetrauert.
Guerreiro ist sein Partner
Da passt es, dass Farfans bester Kumpel Paulo Guerreiro ist. Der zweite Star der Peruaner war ebenfalls regelmäßig in Affären verwickelt. Unvergessen sein Flaschenwurf als Spieler des Hamburger SV nach einem pöbelnden Fan. Und bis vor wenigen Tagen war der Kapitän Perus wegen einer Doping-Affäre gesperrt. Farfan und er sind schon zusammen zur Schule gegangen, nun bilden sie das Angriffsduo einer Mannschaft, die zum Kreis der besonders interessanten Außenseiter zählt. Wobei Farfan nicht mehr dieser rasend schnelle Flügelspieler ist wie in den Jahren in der Bundesliga. Erik Stoffelshaus sagt: „Er hat nicht mehr das Tempo, agiert aber weitaus intelligenter, spielt häufiger ab, ist mannschaftsdienlicher, strategischer. Man kann sagen, dass er jetzt ein wirklich kompletter Spieler ist.“