Der Engländer Davis James findet ihn "schecklich", und der Brasilianer Julio Cesar bezeichnet ihn einfach nur als "grausam": Gleich vier Torhüter aus großen Fußball-Nationen lassen im Vorfeld der WM in Südafrika kein gutes Haar am neuen Spielball. Grund sind die unvorhersehbaren Flugbahnen des "Jabulani", der zu allem Überfluss auch noch aussieht wie "einer von den Bällen, die man im Supermarkt kauft". Zumindest für Cesar.
Die Torhüter sind sauer, weil die Trickkiste der Feldspieler voller wird, und Techniker wie der deutsche Nationalspieler Piotr Trochowski wissen, wie man einen Ball zum Flattern bringt. "Ich schwinge das Bein nicht voll durch, der Ball wird eher geschaufelt. Ich treffe ihn halb mit dem Spann, halb mit der Innenseite", sagt der Hamburger. Mit seinen unberechenbaren Schüssen hat der Mittelfeldspieler wie viele andere Spezialisten schon so manche Keeper schlecht aussehen lassen. Behilflich sind den Kunstschützen dabei die hoch entwickelten Bälle mit ihren seltsamen Flugkurven. Schon lange verbietet es sich, den Fußball als "Leder" zu bezeichnen, schließlich sind seit gut 25 Jahren nur noch vollsynthetische Kunststoffkugeln mit immer wieder neuen Qualitäten im Einsatz. Die Bälle nehmen weniger Wasser auf, haben glatte Oberflächen, eine extreme Formstabilität, können stärker angeschnitten und auf höhere Geschwindigkeiten beschleunigt werden.
Das gilt natürlich auch für den offiziellen WM-Ball, den adidas Anfang Dezember in Kapstadt präsentierte und der laut Hersteller "eine bisher nie da gewesene Rundheit erreicht". Ganz so überzeugt vom neuen Produkt wie die Macher waren die Spieler nach ihren ersten Erfahrungen allerdings nicht, schon damals kam Kritik von den Torhütern. "Wenn man ihn voll aufs Tor kriegt, kann man nur noch beten", hatte Timo Hildebrand von Bundesligist 1899 Hoffenheim nach der Premiere geschimpft. Und das aus gutem Grund: Bei entsprechender Behandlung vollziehen die Hightech-Bälle plötzliche Richtungswechsel, die nicht vorauszuahnen sind. Bei Freistößen gehen die Bälle im Bogen an der Mauer vorbei, drehen vor dem Tor aber noch einmal zur anderen Seite ab. Doch nicht nur seitliche Richtungsveränderungen sind möglich, auch die Höhe spielt bei den Flugbahnen eine wichtige Rolle. So haben die Schüsse des portugiesischen Superstars Cristiano Ronaldo einen extrem hohen Abflugwinkel, fallen aber vor dem Tor plötzlich herab und schlagen dicht unter der Latte ein. Die neuen Bälle mit ihren irren Kurven sind zwar ein klarer Vorteil für die Feldspieler, doch auch von dieser Seite rührt sich Kritik. "Es ist unglaublich. Der Ball verhält sich, als würde er von jemandem geführt. Ganz plötzlich verändert er einfach die Flugbahn", sagt der brasilianische Stürmer Luis Fabiano. Der Italiener Giampaolo Pazzini nennt ihn schlicht eine "Katastrophe". Andere Töne schlägt Mario Gomez an: "Er geht richtig ab, wenn man ihn richtig trifft", lobte der deutsche Stürmer den Jabulani, dessen Name übersetzt "feiern" oder "zelebrieren" bedeutet und der in der kommenden Saison offizieller Spielball der Bundesliga wird.
Beim richtigen Umgang mit dem Jabulani haben die Spieler viele Möglichkeiten, den Torhütern das Leben schwer zu machen. Der Ball kann sehr stark angeschnitten werden und gerät dadurch in eine schnelle Rotation, das Ergbnis ist eine extreme Flugkurve. Besonders bei Freistößen ist dieses Mittel Erfolg versprechend. Soll der Ball zum Flattern gebracht werden, wird in den meisten Fällen mit Vollspann und ohne Rotation geschossen. Die Bälle stehen praktisch in der Luft, bevor sie mehrfach die Richtung wechseln und danach - nicht selten - ins Tor gehen.
Ganz sicher werden auch in Südafrika Spezialisten wie Ronaldo wieder die neuen Möglichkeiten nutzen und mit ihrer exzellenten Schusstechnik die Torhüter auf falsche Fährten locken. Egal ob extreme Flugkurve oder Zick-Zack-Kurs, so mancher Schlussmann wird am Kap wieder "blöd aussehen". Und das glaubt nicht nur David James.