Beim phasenweise brillanten 4:2 (2:1) gegen Portugal leistete aber auch der Titelverteidiger gegen eine entfesselte DFB-Auswahl mit zwei Eigentoren Schützenhilfe: Nach dem Führungstreffer durch Cristiano Ronaldo trafen seine Mitspieler zweimal ins eigene Tor. Bundestrainer Joachim Löw kann es egal sein: Seine Mannschaft zeigte die beste Turnierleistung seit dem WM-Finale 2014.
Ein erster, herrlicher Treffer nach nur 4:24 Minuten durch den überragenden Robin Gosens musste wegen Abseits aberkannt werden, dann platzte auch noch Ronaldo mit seinem Abstauber (15.) mitten hinein in die deutsche Drangphase. Aber: Die wie ausgewechselte DFB-Auswahl fing sich schnell, stürmte weiter unwiderstehlich und erzwang geradezu die Eigentore durch Ruben Dias (35.) und den Dortmunder Raphael Guerreiro (39.).
Es folgten schön herausgespielte Tore durch Kai Havertz (51.) und Gosens (60.), der das Spiel seines Lebens machte, aber angeschlagen ausgewechselt wurde (62.). „Robin Gosens“-Sprechchöre hallten durch die Arena in München, die mit 14.000 Zuschauern besetzt war. Der Treffer von Diogo Jota (67.) war ein Schönheitsfehler, der freilich aufzeigte, dass Deutschland bei aller Begeisterung noch nicht stabil ist. Auch im Anschluss machten die Portugiesen Druck - Renato Sanches traf den Pfosten (79.).
Dreier gegen Ungarn ist erneut Pflicht
Der Sieg war mehr als verdient - und ist doch nur ein Zwischenschritt auf dem Weg ins Achtelfinale: Um sicher dorthin zu gelangen, ist ein Dreier gegen Ungarn am Mittwoch (21.00/ZDF und MagentaTV) erneut in München Pflicht. Für einen der ersten beiden Plätze könnte abhängig vom Resultat des Spiels zwischen Frankreich und Portugal ein Punkt zu wenig sein. Dann müsste Deutschland darauf hoffen, als einer der vier besten Gruppendritten in die K.o.-Runde einzuziehen.
Zunächst war allerdings der Sieg gegen Portugal wichtig, um überhaupt im Turnier zu bleiben und alles selbst in der Hand zu haben. Löw bot dafür die identische Elf auf, die gegen Frankreich (0:1) begonnen hatte. Er habe tatsächlich „nicht so sehr“ nachgedacht über seine Aufstellung gegen den Europameister, verriet der Bundestrainer vor dem Anpfiff in der ARD. Es gehe für seine Auserwählten nur darum, es besser zu machen: „Wir sind auf der Suche nach der goldenen Mitte.“
Schon die ersten Ansätze waren vielversprechend. Die deutsche Mannschaft war mutiger als gegen Frankreich, störte früher und versuchte, den Ball schnell laufen zu lassen. Serge Gnabry, Havertz und Thomas Müller wechselten ständig die Positionen. Joshua Kimmich und Gosens rückten bei eigenem Ballbesitz weit auf. Das führte schnell zum Treffer von Gosens - Gnabry hatte allerdings bei der Flanke von Matthias Ginter knapp im Abseits gestanden.
Ronaldo verpasst Deutschland kalte Dusche
Portugal wankte, Havertz (10.), Toni Kroos (12.) und erneut Gosens (18.) sorgten für Gefahr - dann jedoch folgte die kalte Dusche: Ronaldo höchstpersönlich klärte eine Ecke, dann sprintete der 36-Jährige über das ganze Feld und war rechtzeitig zur Stelle, um einen Querpass Jotas einzuschieben. Es war der erste Treffer für den EM-Rekordtorschützen gegen Deutschland - im fünften Duell und mit dem 24. Torschuss. Und bei der DFB-Auswahl war die „goldene Mitte“ schon verschoben.
Allerdings: Der Schrecken währte nur kurz, tatsächlich war die deutsche Mannschaft nicht wiederzuerkennen im Vergleich zum ersten Spiel. Der sensationell aufspielende Gosens machte Dampf über links, Kimmich bereitete über rechts die Eigentore vor: Sie wären aber auch gefallen, hätten die Portugiesen nicht den Fuß im Spiel gehabt. Beim ersten stand der völlig verwandelte Havertz schon einschussbereit daneben, beim zweiten wäre der ebenfalls deutlich verbesserte Gnabry zur Stelle gewesen.
Abgesehen von den Gegentoren überzeugte die deutsche Mannschaft in nahezu jeder Hinsicht - vor aber allem in der Offensive, in der auch Müller als Antreiber, Kämpfer und Vorbereiter zu gefallen wusste. Er leitete die Treffer von Havertz und Gosens mit Pässen auf die direkten Vorlagengeber Gosens und Kimmich ein. Danach sangen die deutschen Zuschauer „Oh, wie ist das schön“ - auch wenn Jota noch verkürzte.