Selten in guten, immer in schlechten Zeiten. Ewig verbunden, wie Slawek und Slawko. Immerhin trifft uns diesmal keine Schuld: Warschau war zu heiß, Breslau zu nass und der PZPN (Polnischer Fußballbund) zu geizig. Ende aus. Jan Tomaszewski wird es freuen.
Zittern und Aufregung
Warum würde ein Pole aus Dortmund nach Lwiw fliegen, heißt es an der deutschen Passkontrolle. Eine berechtigte Frage, schließlich könnte ausgerechnet ich der einzige Passagier dieser Maschine sein, der nicht zum Deutschland-Spiel fliegt. Dafür zum Sightseeing oder Bummeln. Die Reisen in die Ukraine sind ja selten so günstig gewesen wie jetzt...Applaus und Trost zugleich bekomme ich nach der überraschenden (?) Erklärung, ich möchte die einzig verbliebenen Polen im Turnier unterstützen. Am schwarz-gelben Flughafen in Dortmund hat man ein großes Herz für Polen.
Ich nehme E mit, den fußballbegeisterten Vater eines meiner besten Freunde. E ist meine erste zweite Wahl, schließlich sollte sein Sohn mitkommen, hätte wiederum sein Sohn, mein Patenkind und E’s Enkel unsere Planung nicht durcheinander gebracht. Mit meinem Patenkind werde ich noch einige Turniere erleben, nun freue ich mich auf, für und mit E. Nach 15 Jahren Flugpause zittert er schon vor Freude und Aufregung. Selbst die Tatsache, dass das Flugticket auf seinen Sohn ausgestellt ist, scheint niemanden zu interessieren und gerät schnell zur Nebensache.
Ankunft Lwiw – zu Gast bei Freunden. Mit Diplomatenpass und polnischer Sprache sammle ich Sympathiepunkte wie Herzchen beim Einkaufen. Statt dummer Fragen gibt es eine herzliche Begrüßung, der gute Beamte verlässt für mich sogar sein Büdchen. Er sei traurig, dass Polen ausgeschieden ist, aber Lwiw werde mich sicher wieder zum Lachen bringen, er glaube fest daran. Er sollte Recht behalten. Am Infostand gibt’s Schnupperkurs in ukrainischer Kultur: Wir sollten die weißen Taxis nehmen, sie hätten Taxameter, womit sie klar in der Minderheit wären. Sie sollten Recht behalten.
Nahtod-Erfahrung im Taxi
Unser Fahrer grinst breit, als ich ihn auf Polnisch begrüße. Nein, nein, wir bräuchten uns nicht anzuschnallen, nein, nein, bitte, er sei doch kein Kamikaze. Spätestens als wir mit hoher Geschwindigkeit eine Frau auf einem Zebrastreifen hauchdünn (wie übrigens die meisten ukrainischen Kleider) verfehlen und die zweispurige 30er-Zone zur dreispurigen Autobahn machen, kapiere ich seinen Witz.
Die Damen an der Rezeption des Sputnik-Hotels strahlen, als ich uns auf Polnisch einchecke. Uns geht es genauso, sobald wir unser Doppelzimmer betreten. Immer wieder betreten müsste es eigentlich heißen: Vier Zimmer, drei Fernseher, zwei Badezimmer und eine Art Wintergarten obendrauf. Allein die Wanne ist fast so groß wie meine frühere Studentenwohnung. Die zahlreichen Porzellan- und Marmorfiguren unterschiedlichsten Stils werden kurzerhand zu stummen Zeugen unseres kleinen Phantasieexkurses zum Thema: Was könnte man hier alles anstellen? Gott sei Dank zügelt die Begrüßungsbroschüre „Don’ts while in Ukraine“ und „Strictly prohibited“ unsere Kreativität. Dabei hätten wir sicher gemeinsam Geschichte schreiben können.
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