Wenn große Fußballnächte beim FC Sevilla anstehen, so hat es Bayern Münchens Mittelfeldspieler Thiago Alcántara aus seiner Zeit in Spanien erzählt, verwandele sich die andalusische Hauptstadt regelrecht. Jedenfalls jener Teil, der es mit dem FC Sevilla und nicht mit dem Stadtrivalen Betis hält. „Es scheint, als würden alle noch etwas drauflegen“, hat der Spanier Thiago seine früheren Beobachtungen wiedergegeben, „der Zeugwart bereitet die Schuhe besser vor, der Barmann schmiert ein besseres Sandwich.“
Bayern geht mit Sieg ins Rückspiel
Sehr geschäftig ging es zumindest in den Bars der pittoresken Altstadt vor dem Viertelfinal-Hinspiel der Münchner beim FC Sevilla zu, und ebenso spannend auch während der packenden 90 Minuten. Doch das bessere Ende am Dienstagabend hatte die Mannschaft des FC Bayern, was vermutlich aber keinem der beteiligten Zeugwarte zuzuschreiben war. 2:1 (1:1) siegte der deutsche Meister und legte damit den Grundstein für den angestrebten Einzug ins Halbfinale der Champions League. Sevilla war durch Pablo Sarabia in Führung gegangen (32.), Jesús Navas glich per Eigentor ungewollt für die Münchner aus (37.), ehe Thiago zum Endstand traf (68.). Am kommenden Mittwoch im Rückspiel in München würde den Bayern nun sogar eine 0:1-Niederlage für die Versetzung in die Runde der letzten Vier genügen.
Der Sevilla-Kenner Thiago war in der ersten Verabredung ein bisschen überraschend zu seiner Schlüsselrolle zugekommen. Statt des beim jüngsten 6:0 gegen Borussia Dortmund überragenden James Rodríguez setzte Trainer Jupp Heynckes im offensiven Mittelfeld auf den in großen Spielen nicht immer überzeugenden Thiago. Auf der Bank fand sich zudem Arjen Robben wieder, für den Niederländer begann Thomas Müller auf der rechts offensiv. Gezwungenermaßen fehlte zudem David Alaba leicht angeschlagen, für ihn stand Juan Bernat als Linksverteidiger in der Startelf.
In Thiago, Bernat und Javier Martínez durften damit alle drei Spanier der Münchner beginnen. Und die Bayern legten im infernalischen Lärm des Estadio Ramón Sánchez-Pizjuán zunächst völlig unbeeindruckt und sehr konzentriert los. Im Stile einer Heimmannschaft bestimmten sie das Geschehen und drückten die Gastgeber mit ihrem dominanten Passspiel in die eigene Hälfte. Erste Torannäherungen waren die Folge, eine Großchance blieb aber zunächst aus. Gefährlich wurde es für die Münchner nur bei Kontern. Und ebenso, als Franck Ribéry einen Zweikampf mit seinem Temperament verlor und Sevillas Wissam Ben Yedder schubste und die gelbe Karte sah.
Es war der Auftakt einer Phase, die beinahe rasch die Führung für Sevilla hervorgebracht hätte. Doch Sarabia nutzte einen Abpraller freistehend vor Torwart Sven Ulreich aus rund zehn Metern nicht und setzte den Ball neben das Tor (20.). Zwölf Minuten später aber war es passiert, und zu tun hatte das auch damit, dass den Bayern das Spiel zunehmend entglitt. Sevilla bestimmte nun die Aktionen und profitierte zudem von Bernats Unaufmerksamkeit. Nach einer Flanke des ehemaligen Schalkers Sergio Escudero schlich sich Sarabia in Bernats Rücken davon und schoss zum 1:0 ein.
FCB-Ausgleich aus dem Nichts
Doch so plötzlich, wie sich die Gewichte zugunsten Sevillas verschoben hatten, so plötzlich kamen die Münchner zum Ausgleich. Über James, der kurz zuvor für den angeschlagenen Arturo Vidal eingewechselt worden war, kam der Ball zu Ribéry, dessen Hereingabe Jesús Navas ins eigene Tor lenkte. Es war ein in jeder Hinsicht glückliches 1:1, das Sevillas italienischen Trainer Vincenzo Montella beinahe an das jüngste 2:2 nach einer 2:0-Führung gegen den FC Barcelona erinnert haben dürfte, nach dem er gesagt hatte, er sei auf seine Spieler „sehr stolz und sehr böse zugleich“.
Den Münchner half der Ausgleich erkennbar, wieder zu mehr Ruhe zu finden. Das war auch sehr nötig, denn nun stand ihnen nach langer Zeit mal ein Gegner gegenüber, der zwar nominell schlechter besetzt ist, sie aber dennoch ernsthaft forderte. Im Fall von Bernat sogar überforderte, weshalb Heynckes zur zweiten Halbzeit Rafinha brachte.
Mit langen Ballpassagen agierten die Bayern nun wieder dominanter. Wirklich zwingend wurde es aber erst bei der Volleyabnahme von Martínez, die Sevillas Torwart David Soria bei seinem Champions-League-Debüt gerade noch über die Latte lenken konnte (67.). Und dann kam eine Minute später nach Ribérys Flanke Thiagos Kopfball zum 1:2, der alle Barmänner und Zeugwarte Sevilla betrübt zurückließ.