Noch deutlich bemerkenswerter ist allerdings die Tatsache, dass es dem 25-Jährigen parallel gelungen ist, die Weichen für seine Zukunft zu stellen. Caspari hat vor kurzem sein Bachelorstudium mit der Fachrichtung Bauingenieurswesen erfolgreich abgeschlossen. Für seine Abschlussarbeit erhielt er nicht weniger als die Note 1,0. Mittlerweile hat er mit seinem Master begonnen. Doch wie gelingt es einem Profifußballer ein Vollzeitstudium zu bewerkstelligen? RevierSport ging dieser Frage auf den Grund und begleitete Christoph Caspari einen Tag auf seinem aufwendigen Weg zwischen Uni und Regionalliga-Fußball.
Nicht wenige Fußballprofis stehen am Ende ihrer aktiven Laufbahn vor einer ungewissen Zukunft. Selbst einige Spieler, die in ihren Glanzzeiten Millionen verdient haben, sind nach einer gewissen Zeit finanziell nicht mehr unabhängig. Warnende Beispiele gibt es nicht erst seit dem Dschungelcamp, doch um ein zweites Standbein kümmern sich nur die wenigsten Kicker. Wer es darüber hinaus erst gar nicht in die Beletage des Fußballs schafft, steht ohnehin unter Zugzwang. Die Regionalliga gilt in Deutschland als Brücke zwischen Profi- und Amateurfußball. Trainiert wird in der Regel unter professionellen Bedingungen, ein finanziell sorgenfreies Leben lässt sich allerdings nur über einen kurzen Zeitraum führen. Christoph Caspari hat die Zeichen der Zeit früh erkannt. Sein akademischer Werdegang spielte für ihn stets eine übergeordnete Rolle. „Ich bin kein Träumer“, erklärt der ehemalige Bochumer. „In der letzten Woche bin ich 25 Jahre alt geworden. Ich gehe nicht mehr davon aus, dass ich den Sprung in die Bundesliga schaffe. Das wäre vermessen.“
„Peter Kunkel? Er ist schon eher ein Old-School-Trainer“
Aus diesem Grund hat sich sein Leben seit Jahren zu einem anspruchsvollen Spagat zwischen den Anforderungen seines Studiums und sportlichen Ambitionen entwickelt. Gebürtig kommt er aus Düsseldorf, wohnt aber inzwischen in Bochum wegen der Nähe zur dortigen Ruhr-Universität. Um acht Uhr tritt er den Weg zur Uni an, um dort Vorlesungen und Seminare zu besuchen. Allerdings gibt es im Rahmen seines Studiums keine Anwesenheitspflicht, was ihm die Aufgabe extrem erleichtert. „Zum Glück ist das in diesem Studiengang so. Das ist nicht wie bei BWL-Studenten, die nur zweimal fehlen dürfen. Anders wäre das für mich mit dem Training auch nicht vereinbar“, sagt Caspari. Andererseits erfordert sein Studium ein hohes Maß an Disziplin und Eigeninitiative. Die Stunden, die der Fußballer aufgrund von Trainingseinheiten oder Spielen verpasst, muss er zu gegebener Zeit nachholen. Die nötigen Unterlagen erhält er von einer Gruppe befreundeter Kommilitonen.
Nach dem Mittagessen um 12 Uhr in der Mensa macht sich Caspari bereits auf den Weg zum Training. Auf einem Pendlerparkplatz in Gelsenkirchen trifft er sich mit seinen Teamkollegen Michael Smykacz, der in Gelsenkirchen wohnt, Tobias Hötte aus Erkenschwick und Andreas Pollasch, der aus Castrop-Rauxel anreist. Um die Spritkosten in Grenzen zu halten, bildet das Quartett eine Fahrgemeinschaft. Knapp zwei Stunden vor dem Training kommen die vier Kollegen am Stadion Niederrhein an. Caspari absolviert täglich vor dem eigentlichen Training noch eine Stabilisationseinheit. Zwei Stunden steht er anschließend unter der Regie von Trainer Peter Kunkel auf dem Platz. Das tägliche Brot eines Fußballers.
Caspari geht bei Rot-Weiß Oberhausen in seine zweite Saison. Zuvor war er für die Zweitvertretungen des VfL Bochum und Fortuna Düsseldorf aktiv. In der Jugend wurde der Rechtsfuß von Bayer Leverkusen ausgebildet. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten hat er sich unter Kunkel zu einem Leistungsträger der ambitionierten „Kleeblätter“ entwickelt. Den Trainer musste er zunächst von seinen Qualitäten überzeugen. Als dieser in der vergangenen Saison das Amt des zurückgetretenen Mario Basler übernahm, gehörte der Flügelflitzer nicht zum Stammpersonal. Kunkel gilt als Trainer der alten Schule, der enormen Wert auf Disziplin legt. „Er ist schon eher ein Old-School-Trainer“, schmunzelt Caspari. „Verspätungen oder ähnliche Verfehlungen duldet er nicht. Mein Kollege Felix Herzenbruch kam zuletzt mit schwarzen Schuhen zum Training. Da wurde er von unserem Trainer sofort in den höchsten Tönen gelobt, denn mittlerweile geht der Trend eher zu den bunten Tretern.“
Spätschicht in der Bibliothek
Auch wenn Caspari weiße Schuhe bevorzugt, konnte er seinen Coach doch noch überzeugen. Dank des nötigen Einsatzes und guten Leistungen in Training und Spielen gehört er seit Monaten zum Oberhausener Stammpersonal. „Wenn man sich voll reinhängt, kommt der Erfolg automatisch. Das ist sowohl im Sport als auch im Beruf der Fall“, betont der Defensivspezialist.
Der Doppelbelastung aus Uni und Profifußball sind nicht alle Sportler gewachsen. Viele seiner Kollegen hätten ein Studium begonnen und nahmen nach wenigen Semestern von diesem ehrgeizigen Ziel Abstand. An diesem Nachmittag fährt Caspari nach einem kurzen Abstecher in den Supermarkt direkt nach Hause. Während einer Klausurphase begibt er sich am Abend zurück in die Universitätsbibliothek. Diese ist bis 24 Uhr geöffnet. Um die verpassten Stunden des Tages nachzuholen, nutzt er den Zeitraum oftmals komplett aus. „Wenn ich nach dem Training nach Hause fahre, ordentlich esse und mich dann kurz hinlege, ist es schon vorbei. Dann komme ich nicht mehr hoch. Deshalb fahre ich lieber direkt in die Bibliothek.“
Die doppelte Belastung sei zwar durchaus ambitioniert, aber keinesfalls unlösbar wie Caspari versichert. Fehlende Zeit sei für Fußballer jedenfalls kein Grund, um parallel am Leben nach der Karriere zu arbeiten. „In der Regionalliga trainieren wir zwar täglich, aber dafür während der Saison nur zwei Stunden. Davor oder hinterher bleibt genug Freiraum, um sich anderen Dingen zu widmen. Wer sich aber vor den Einheiten nur mit der Playstation beschäftigt, kann es nicht packen.“
"Auf dem Bau habe ich richtig mitgearbeitet"
Caspari ist niemand, der nach Ausreden für sein zeitintensives Leben sucht. Denn der Student weiß, was schwere Arbeit tatsächlich bedeutet. Während seines Bachelorstudiums hat er ein Praktikum in einer Baufirma absolviert und dort auch selbst die Ärmel hochgekrempelt. Diese Erfahrung war für ihn besonders wertvoll. „Auf dem Bau habe ich richtig mitgearbeitet, da war nichts mit Schongang. Was die Jungs dort leisten, ist schon eine andere Hausnummer, da weiß man, was es tatsächlich bedeutet zu arbeiten. Deshalb kann ich auch unsere Fans besser verstehen, die ihr hart erarbeitetes Geld für uns ausgeben und sich dann auch verständlicherweise aufregen, wenn wir scheiße spielen.“
Nach den Spielen sorgt Casparis Freundin Dorothee dafür, dass Trikot- und Gesichtsfarbe übereinstimmen.
Ein Privatleben führt Christoph Caspari im Schatten der Bücher und Fußballplätze schließlich auch noch. Auch privat bedarf es einer guten Organisation und Absprachen. Seine Familie und Freundin Dorothee leben in Düsseldorf. Mehr als zwei Tage in der Woche bleiben ihm jedoch nicht, um seine Freundin zu besuchen. Dafür ist sie regelmäßig bei den Spielen der Oberhausener zu Gast. „Es ist leider nicht anders möglich, da auch sie studiert. Andererseits hat es auch etwas Positives. Wir hocken nicht aufeinander rum und gehen uns auf die Nerven. Stattdessen freut man sich nach einigen Tagen auch wieder aufeinander.“