Denn der Tausendsassa macht seine Ankündigung wahr und legt sein Amt als Erster Vorsitzender nieder. Eine Zäsur in der Vereinshistorie, denn kein anderer prägte den Klub so stark wie er.
Der VfB wurde 1948 gegründet, 1949 kam Darmstädter in die erste Schülermannschaft. Der charismatische Sympathikus durchlief alle Jugendmannschaften, wurde später Kapitän der Ersten. Schon damals übernahm er kommissarisch den Job des 1. Vorsitzenden. Als niemand in die Verantwortung wollte, stellte sich „HD“ ans Ruder und führte den VfB aus der Kreis- in die Regionalliga.
48 Jahre ist das her. 48 Jahre, in denen er den VfB zu einem Aushängeschild des westfälischen Fußballs formte. Der Kämpfer, der keinen Widerstand scheute, um die Interessen des VfB wie des gesamten Amateurfußballs gradlinig, ehrlich und konsequent durchzusetzen, hat sich mit seiner direkten Art aber nicht immer nur Freunde gemacht. Doch auch damit jetzt ist Schluss. Darmstädter nutzt seinen Geburtstag zur Amtsübergabe. Sein bisheriger Stellvertreter Wolfgang Muth wird den Job am 1. November offiziell antreten.
Im RS-Interview blickt Darmstädter zurück und verrät das Geheimnis, wie er Hermann Erlhoff, Norbert Nigbur oder Olaf Thon holte.
Horst Darmstädter, warum hören Sie ein halbes Jahr vor dem 50. Jubiläum auf?
Ich brauche keine Zahl. 2004 wurde ich ja schon zum Ehrenmitglied ernannt. Außerdem habe ich meiner Frau Gisela versprochen, kürzer zu treten. Ich möchte einfach mehr Zeit mit meiner „Gilla“ verbringen. Mein 75. Geburtstag ist der perfekte Anlass zu meiner langsamen Verabschiedung. Ich bleibe aber Hauptgeschäftsführer des Gesamtvereins und betreue die Geschäftsstelle. Ich brauche einfach den Kontakt, zudem ist der Klub eine Herzensangelegenheit.
Wie schwer fällt Ihnen der Abschied?
Auf der einen Seite tut es schon weh. Auf der anderen überwiegt aber auch die Freude, das Familienleben genießen zu können. Wir haben eine funktionierende Vorstandsmannschaft, die hervorragende Arbeit leistet. Außerdem hat sich in den letzten Jahren auch sehr viel verändert.
Was hat sich verändert?
In Vorstandssitzungen wird heute nicht mehr über Fußball, sondern nur noch über Sicherheit gesprochen. Die Richtlinien und Weisungen des Verbandes erschweren die Arbeit ungemein. Außerdem ist der Lack ab. Früher habe ich jedes Jahr einen Winterball mit über 1.200 Personen veranstaltet oder ein großes Hallenturnier organisiert. Aber die Ideen sind einfach nicht mehr da.
Ausgerechnet an Ihrem Ehrentag haben Sie sich eine Auszeit genommen und sind mit Gisela auf Sylt. Warum?
Wir wollen dem Trubel entfliehen. Ich habe mein 25-jähriges Dienstjubiläum mit einer rauschenden Party gefeiert, zu meinem 50. und 60. Geburtstag kamen jeweils über 300 Gäste und zum 70. hat mir der Verein eine große Feier organisiert. Ich habe so viel gefeiert, dass ich es jetzt auch mal ruhiger angehen kann.
Blicken wir zurück. Was sind Ihre schönsten Erinnerungen?
Die jährlichen Abschlussfahrten. Ich war immer dabei. Wir waren auf dem spanischen Festland, auf Mallorca, in Salzburg, Paris, Hamburg oder Norderney. Es gibt kaum einen Fleck, wo der VfB noch nicht war. Und wir haben es immer richtig krachen lassen. Wir waren zudem mal 46 Spiele ungeschlagen, sind von der Landesliga in die Verbandsliga aufgestiegen. Aber auch die Westfalenmeisterschaft und die Rückkehr in die Oberliga waren Highlights. Genauso wie der eigentliche Aufstieg in die Regionalliga im Jahr 2000, als uns der DFB mit einer Relegation einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Deshalb haben wir das Freilos in diesem Jahr auch gerne angenommen. Was mich aber besonders stolz macht: Alle Trainer und Spieler haben gesagt, wie gut es ihnen beim VfB geht.
Apropos Trainer. Wie haben Sie es geschafft, so namhafte Leute wie Hermann Erlhoff, Uwe Neuhaus, Klaus Täuber, Ingo Anderbrügge oder Olaf Thon an den Badeweiher zu lotsen?
Das war nicht so schwer, weil der VfB auch heute noch eine große Anlaufstätte für Ex-Profis ist. Zuletzt hat sich Gerald Asamoah bei uns fit gehalten. Hermann Erlhoff war als Spieler und Trainer bei uns. Aber in der Auflistung fehlt ein Name. Unser Coach Martin Schmidt. Er passt perfekt in diese Aufzählung.
Perfekt ist ein gutes Stichwort. Der VfB zählt zu den wenigen Amateurvereinen, die immer pünktlich ihren Verpflichtungen nachkommen. Wie gelingt das?
Die ständige Angst um die Finanzen war schon nervenaufreibend. Reicht die Kohle, um die Mannschaft bezahlen zu können? Wenn nicht, musste ich halt wieder auf Betteltour gehen oder meine Privatschatulle öffnen. Aber ich habe es immer hinbekommen.
Sie haben nicht nur für den VfB, sondern auch für den Amateursport wie kein anderer gekämpft und sich gerade beim Verband nicht nur Freunde gemacht.
Die Zeiten mit dem Verband waren lehrreich für mich. Dort habe ich gemerkt, wie nah Macht und Ohnmacht zusammenliegen. Vor ein paar Tagen habe ich erst das jüngste Schreiben des Verbands erhalten, über das ich mich kaputtlachen kann. Ob ein Platz bespielbar ist oder nicht, soll jetzt nicht mehr der Eigentümer, sondern der Staffelleiter oder die Polizei entscheiden. Die ganze Republik lacht über uns im Westen, weil wir uns mehr mit Sicherheit als mit dem Sport befassen.
Sie mussten, wie Uli Hoeneß, viel Prügel einstecken, weil Sie die Wahrheit sagten und polarisierten. Würden Sie heute noch einmal so vorgehen?
Ja, ich bin halt der „kleine Hoeneß“ – oder sogar der große, weil ich älter bin. Nein, Scherz beiseite: Die Reibereien haben mich hart gemacht. Das Einstecken begann schon als aktiver Spieler, als ich gleichzeitig Vorstandsarbeit gemacht habe. Die Spieler meinten, dass ich einige Jungs bevorzugen würde. Das tat schon weh, aber dadurch wird man auch stark.
Sie haben immer für Alle gesprochen, aber nur selten Unterstützung aus den anderen Vereinen erhalten. Warum gibt es kaum noch Zusammenhalt?
Es ist schade, dass die Amateure nicht mehr zusammenhalten. Die meisten Vereine streben nach oben und verkneifen sich deshalb kritische Kommentare. Mir war das egal. Ich bin sogar bis zum DFB-Präsidenten Theo Zwanziger gegangen und habe ihm alles vorgetragen, was mich stört. Gegen die NRW-Liga bin ich in die Bütt gegangen und habe meine Meinung laut verkündet. Das kommt daher, dass ich in der Nachkriegszeit im Theater gespielt habe.
Das passt ja.
(lacht) Deshalb bin ich beim Theatermachen auch hängengeblieben. Aber ich habe mit meiner Art auch viele Freunde beim Verband gefunden. Dettmar Cramer beispielsweise. Er war 1950 mein Trainer bei der Westfalenauswahl. 30 Jahre später haben wir uns wiedergesehen. Ich habe ihn angesprochen und er sagte sofort: „Du bist doch der Junge von der Ruhr.“ Das sind tolle Erinnerungen, wie auch die, dass ich Egidius Braun kennenlernen durfte, genauso wie Gerhard Mayer-Vorfelder. Ich habe bestimmt fünf Mal mit ihm an einem Tisch gesessen, beim sechsten Mal wusste er immer noch nicht, wer ich bin. Das bleibt haften. Unterm Strich muss das Leben Spaß machen. Wenn das nicht mehr der Fall ist, dann gute Nacht.