Denn auch 90 Minuten gegen die Sportfreunde Siegen konnten nicht beantworten, warum Rot-Weiss Essen eigentlich keine Spitzenmannschaft sein soll. Das gleiche Team, das am vergangenen Sonntag Westfalia Herne noch mit 5:1 vom Platz fegte, hatte an der Hafenstraße herzlich wenig zu bestellen. Deshalb war Trainer Andrej Rudy auch restlos bedient und gab seinen Spielern erstmal zwei Tage frei und Hausaufgaben. "Die sollen mir schreiben, was sie denken, in ihrer Zeit in Siegen für die Sportfreunde geleistet zu haben und wie sie sich das weiterhin vorstellen."
RWE-Trainer Waldemar Wrobel schien sich darauf kaum noch zu trauen, es auszusprechen, ihm blieb aber nichts als die Feststellung: "Ich habe keine richtig klare Torchance der Siegener gesehen." Anders als bei seinem eigenen Team. Die blitzstarteten gleich nach 27 Sekunden zum 1:0 durch. Noch in der Woche hatte Wrobel angekündigt, dass er gezielt Abseitssituationen trainieren lässt, damit insbesondere Sturmspitze Lukas Lenz nicht so oft in der verbotenen Zone steht. Dass der Leistungsnachweis seiner Mannschaft aber ganze 27 Sekunden brauchte, hätte auch der 40-Jährige nicht geglaubt. Doch Leon Enzmann war auf der Außenbahn nun mal durch und sah Holger Lemke. Der nahm die Hereingabe volley ins rot-weisse Glück.
[player_rating]nrwliga-1011-11-220130181[/player_rating] Doch die Gäste ließen sich trotz des Volltreffers nichts anmerken und hielten ordentlich und bisweilen auch mit gesunder Zweikampfhärte dagegen. Dass der ehemalige Essener Emrah Uzun die in der Nachspielzeit aufgrund eines taktischen Fouls noch mit Gelb-Rot bezahlen musste, war zwar überflüssig, passte aber zu dem Abend der Sportfreunde. Auch wenn sich beide Mannschaften im Mittelfeld weitgehend gegenseitig den Platz zum Atmen und Kombinieren nahmen - wenn es gefährlich wurde, dann stets für die Essener und meist in Person von Lenz. Der Angreifer hätte das 2:0 besorgen können (66.) bis müssen (45.).
So blieb es schließlich Kerim Avci vorbehalten, eine der immer zahlreicheren Kontergelegenheiten (78.) zur Entscheidung abzuschließen. Auch wenn die Siegener immer giftiger zu Werke gingen und bis in die Nachsspielzeit alles versuchten, mehr als leidlich gute Distanzschüsse gewährte die Essener Defensive den Sporfreunden nicht.
Beinahe in Vergessenheit geriet über die durchweg gelungene Heimvorstellung, dass Rot-Weiss Essen - mal wieder - einen Zuschauerrekord geknackt hat. Dank zahlreicher Unterstützung aus dem Siegerland sahen insgesamt 7387 überwiegend begeisterte Fans den 2:0-Sieg. Und der ein oder anderen darunter wird sich nach den den acht Punkten aus den Spielen gegen Velbert, Schwarz-Weiß Essen, Germania Windeck und Siegen schon mal fragen, wie sich denn eine Aufstiegsparty anfühlt.
Wrobel hat derzeit eigentlich nur das Problem, die Aufstiegsfrage glaubwürdig zu...? Ja, was eigentlich? Der Coach bleibt auf jeden Fall ganz betont nüchtern: "Wir werden nicht gegen eine Schleuse schwimmen, was wir sowieso nicht können. So lange wir so weitermachen, entscheiden die anderen, wie lange wir da oben bleiben. Es gibt für uns überhaupt keinen Grund, von unserer Zielsetzung abzuweichen. Aber eins ist auch klar: wir werden bestimmt nicht absichtlich schlecht spielen, um Fünfter zu werden und den Platz freiwillig räumen."
Es scheint, als wäre RWE gekommen, um oben zu bleiben. Die Frage ist wohl nur noch, wie weit oben.