„Von den 30 Spielen einer Saison sehe ich mindestens 15 oder 16“, erklärt der Bundestagsabgeordnete. „Und das mit einer Leidenschaft, die ich mir in der Politik nicht immer erlauben kann.“
Denn Wiefelspütz ist innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Seine Wurzeln hat er jedoch fern der Bundeshauptstadt Berlin im Revier, 1946 kam er in Lünen zur Welt. Und vor rund zehn Jahren holte der Lüner SV, Traditionsverein der ehemaligen Bergbau-Stadt, den promovierten Juristen in seine Vorstandsriege. Der erklärte Fußball-Enthusiast ließ sich schnell überzeugen. „Ich bin zwar weniger Fußballkenner als vielmehr -Fan“, gibt der 63-Jährige unumwunden zu, „aber als Vorsitzender fiebere ich natürlich am Sportplatz mit. Ich bin wohl der lautstärkste Anhänger unseres Vereins“, schmunzelt Wiefelspütz.
Das gilt aber beileibe nicht nur für die erste Seniorenmannschaft: „Das wirklich Wichtige im Sport ist die soziale Aufgabe, der versuchen wir beim Lüner SV insbesondere mit unseren zahlreichen Jugendmannschaften gerecht zu werden“, hält der Politiker fest: „Denn das ist der Schlüssel zu erfolgreicher Integrationsarbeit und darum dreht sich unser Engagement im Verein.“
Leider sorgt der Amateursport in letzter Zeit aber vermehrt auch für negative Schlagzeilen. Gewalt ist auf Fußballplätzen immer häufiger im Spiel, was Wiefelspütz nicht tolerieren will: „Fußball ist eine Sportart, in der auch das kämpferische Element den Reiz ausmacht, keine Frage. Eine Rote Karte will ich nicht gutheißen, aber die gehört manchmal nun mal auch dazu. Bei allem Konkurrenzdenken sollte sich der Sport aber immer an seine Vorbildfunktion erinnern. Für gegenseitigen Respekt kann ich gar nicht genug werben.“
Dieses Thema liegt Wiefelspütz besonders am Herzen – und als jemand, der für die Klarheit seiner Statements bekannt ist, redet er auch hier nicht um den heißen Brei herum: „Wenn es etwas gibt, das ich hasse wie die Pest, dann ist das rassistisches Gedankengut. Leute, die andere derart beschimpfen, haben offenbar immer noch nicht begriffen, dass wir längst in einer multikulturellen Gesellschaft leben.“
Ein anderer, oft unerfreulicher Aspekt ist dem Innenpolitik-Experten aber ebenfalls ein Dorn im Auge. „Das Geld spielt im Amateurfußball eine zu große Rolle, das ist ein echtes Problem. Da muss man sich fragen, ob die Strukturen noch richtig sind.“ Wiefelspütz würde gern dem Ehrenamt den Rücken stärken, findet aber auch, „dass die Funktionäre besser geschult werden müssten.“ Sei es in Sachen Sicherheit oder Vereinsmanagement.
Womit sich wieder der Kreis zu „seinem“ Lüner SV schließt. Wie ambitioniert ist denn der erste Mann der Rot-weißen? Schließlich hat das Wort des Vorsitzenden am Schloss Schwansbell Gewicht. „Der Verein hat ja auch mal ein, zwei Klassen höher gespielt und warum sollte man da nicht irgendwann einmal wieder hinwollen“, gibt sich der Fußballchef durchaus sportlich, was in diesem Sinne nichts anderes als „ehrgeizig“ meint. „Aber wir mussten schon einmal Lehrgeld zahlen. Deshalb bin ich für eine organische Entwicklung, die immer im Zeichen der kaufmännischen Disziplin stehen muss.“
Das ist eine klare Linie – da bleibt höchstens die Frage, wie Wiefelspütz‘ Arbeit im Vorstand der „Löwen“ konkret aussieht. „Ich stehe mit den anderen Vorstandmitgliedern in intensiver Kommunikation, unter erwachsenen Leuten werden dann vernünftige Entscheidungen getroffen. Und oft geschieht das bei uns einvernehmlich.“
Die sportlichen Angelegenheiten regeln aber andere: „Es gilt, dass dies die Aufgaben von Sportlichem Leiter und Trainer sind, in die ich nicht hineinrede.“ Was natürlich nichts daran ändert, dass bei den Spielen in der Schwansbell-Kampfbahn auch bei dem echten Westfalen emotionaler Ausnahmezustand herrscht.
Besonders der 27. September 2009 wird dem „Bücherwurm“ – vor Abitur und Jura-Studium absolvierte Wiefelspütz eine Ausbildung zum Buchhändler – noch lange im Gedächtnis bleiben: „Am Sonntag der Bundestagswahl hatten wir das Heimspiel gegen Heessen. Es war ein völlig nervenaufreibender Spielverlauf, nach einem 2:0-Rückstand haben wir die Partie gedreht, dann aber wieder den Ausgleich zum 3:3 kassiert. Erst mit dem Schlusspfiff fiel das 4:3 für uns.“ Lünen jubelt, Wiefelspütz natürlich besonders. Doch damit der Dramatik nicht genug, nur rund eine Stunde später machen auch die ersten Zahlen der Hochrechnungen die Runde. Aber schnell steht fest: Der SPD-Kandidat konnte im Wahlkreis „Unna-Hamm II“ das Direktmandat gegen Laurenz Meyer verteidigen und sich an einem denkwürdigen Abend über gleich zwei Siege freuen.
Was aber auch heißt, dass Wiefelspütz weiterhin den Spagat zwischen Job in der Hauptstadt und Hobby in der Heimat hinbekommen muss. Immerhin hat er darin mittlerweile schon einige Erfahrung – sogar mehr denn als aktiver Fußballer. „Ich habe selbst in der Knabenmannschaft gespielt“, erinnert er sich an seine Jugend zurück, „aber ich war ein ziemlich hageres Kerlchen und habe deshalb meine Fußballschuhe schon als Zwölfjähriger an den Nagel gehängt. Man soll schließlich aufhören, wenn man alles erreicht hat, was man erreichen kann.“ Auf welcher Position das „MdB“ in seiner kurzen Karriere gespielt hat, muss man Wiefelspütz eigentlich gar nicht fragen: „Ich war natürlich der Linksaußen!“