Real Madrid. FC Arsenal. FC Bayern. Galatasaray Istanbul. Die Kicker von Fatihspor Essen II tragen beim Training im Sportpark Loh die Trikots ihrer Helden: Gewinnertypen wie Cristiano Ronaldo. 22 Liga-Tore hat der Madrilene in dieser Spielzeit geschossen. Ein Wert, von dem die Fatihspor-Spieler nur träumen können. 15 Partien, null Punkte, 17 eigene Treffer, 136 Gegentore, letzter Platz in der Kreisliga C. So lautet die Saisonbilanz. Fatihspor II ist die schlechteste Mannschaft im Revier.
Torhüter Ayan: "Wir sind alle Freunde"
2876 Fußball-Teams tummeln sich im Ruhrgebiet – von der Bundesliga bis zur Kreisklasse. Die „RevierSport Top 100“ bringt sie alle zusammen in eine Tabelle. Auf Platz eins steht Borussia Dortmund, auf Rang drei der FC Schalke, ganz hinten rangiert Fatihspor II. Eine junge Mannschaft mit türkischem Hintergrund, die Woche für Woche in der Essener Kreisliga C vor den Ball tritt, natürlich gewinnen will und doch jedes Mal als Verlierer vom Platz trottet. Warum tun sich die Spieler das an?
„Manchmal regt es mich auf. Das ist nicht normal, was wir für Tore kriegen“, sagt Aykut Ayan, 20 Jahre alt, Schüler an der Abendrealschule, in der Freizeit Torhüter. 0:15, 0:18, 1:21 endeten die schlimmsten Spiele. „Die meisten Gegentore waren unhaltbar“, meint Ayan, der eine ganz simple Begründung hat, warum er jede Woche freiwillig die Bälle aus dem eigenen Tornetz herausholt: „Wir sind alle Freunde.“
Bald sollen die ersten Punkte her So sieht es auch Murat Cirak. „Wir wollen gemeinsam chillen“, sagt er und meint damit, etwas zu unternehmen. Der 21 Jahre alte Auszubildende trägt beim Training ein Trikot des türkischen Meisters Galatasaray Istanbul. Seine Idole gewinnen Titel, er selbst noch nicht mal Spiele. Doch das soll sich in der Rückrunde ändern „Ich hoffe, dass wir bald die ersten Punkte holen. Wir sind nicht so schlecht“, meint Cirak.
Vor 15 Jahren haben ein paar türkische Freunde Fatihspor Essen ins Leben gerufen. „Wir haben auf der Straße Fußball gespielt, dann dachten wir, warum sollen wir nicht einen Verein gründen“, sagt Sefer Temel. Der 48-Jährige ist Geschäftsführer, Trainer der ersten und manchmal auch der zweiten Mannschaft. Früher schuftete er beim Bergbau, jetzt widmet der Frührentner sein Leben dem Verein. Warum? „Was soll man sonst machen“, erklärt er, während im Hintergrund die Fatihspor-Reserve trainiert. Kurzes Warmlaufen, ein paar Passübungen, Torschuss.
Aykut Ayan steht zwischen den Pfosten, eingreifen muss er selten. Die Schüsse fliegen meistens mit viel Kraft und etwas Schnitt weit am Tor vorbei. Spaß scheinen die Spieler trotzdem zu haben, zumindest lachen sie auch bei Fehlversuchen. Kommentiert werden die Missgeschicke in einer Mischung aus Türkisch und Deutsch.
Gewalt gibt es nicht Die Mitglieder bei Fatihspor haben alle, wie es schon der Vereinsname verrät, einen türkischen Hintergrund. Rassismus erleben sie auf dem Fußballplatz aber nicht, geben jedenfalls Aykut Ayan und Murat Cirak an. Bei Sefer Temel klingt das schon etwas anders: „Die deutschen Mannschaften provozieren uns ganz gerne. Das machen sie absichtlich. Dann kochen die Emotionen schon mal hoch.“ Kreisliga-Alltag. Gewalt gebe es aber nicht, „ansonsten würde ich dazwischen gehen“, meint Temel, und man glaubt es ihm.
Die erste Partie nach der Winterpause hat die Fatihspor-Reserve gegen den Tabellenführer Al-Arz Libanon mit 0:9 verloren, das zweite Spiel endete 3:6. Sollte es am Ende also doch nicht klappen, in der Rückrunde die ersten Punkte einzusammeln – nicht schlimm: Aus der Kreisliga C kann man eh nicht absteigen.