Doch während anderswo bei solch einer Bilanz schon im April die Korken knallen, herrscht in Dortmund weiter Hochspannung.
Denn der Verfolger hat: 29 Spiele, 25 Siege, drei Unentschieden und eine Niederlage im Saison-Protokoll – und damit nur einen Zähler weniger auf dem Konto. Erst am letzten Spieltag kommt es also zur Entscheidung, wer in die Bezirksliga darf. „Das ist schon verrück und müsste doch eigentlich einmalig im Ruhrgebiet sein“, kann auch Christian Senger kaum glauben, dass sich der Showdown bis zum 30. Spiel gegen Neuasseln hinauszögert. Der Knackpunkt gegen Husen-Kurl
Er ist Spielführer des FV Scharnhorst und erklärt das Erfolsgeheimnis seiner Mannschaft: „Bei uns verbindet sich mannschaftliche Geschlossenheit mit individueller Klasse. Wir sind eigentlich sehr gut besetzt, und können auch mit Druck gut umgehen.“ Das hat man besonders am Pfingstmontag gesehen, als die Truppe im Spitzenspiel gegen Husen-Kurl Nerven zu zeigen schien. Gegen den Tabellendritten stand es kurz vor Schluss 1:1, es drohte der entscheidende Punktverlust zugunsten des VfB Lünen 08. Doch der Gastgeber erzwang auf heimischer Asche noch das 2:1 und sicherte sich den so wichtigen „Dreier“. Jubel am Scharnhorster „Buschei“, Verzweiflung in Lünen. „Das war wohl der Knackpunkt. Und wenn es zum Aufstieg reichen sollte, dann haben wir es in diesem Spiel geschafft. Husen-Kurl war eher destruktiv ausgerichtet und hat uns ganz schöne Probleme bereitet. Außerdem musste unser Keeper einige Male überragend halten. Aber als der Sieg feststand, wussten wir: ‚Jetzt kann uns eigentlich nicht mehr viel passieren.’ “, blickt der FVS-Kapitän zurück.
Angeführt wird die Mannschaft von Adam Woitynek, der bei den Blau-Weißen den Spielertrainer gibt. 34 Tore und 18 Vorlagen belegen die Klasse des Torjägers. „Er ist ein ruhiger Trainer und diese Ruhe strahlt er auch auf dem Platz aus. Da bringt er dann auch mal Ordnung ins Spiel, wenn es sein muss“, zieht Senger den Hut vor seinem Coach und Mannschaftskameraden. Unter der Woche bekämpft der Ex-VfL-Bochum Profi erfolgreich die Langeweile im Übungsalltag. „Das Training ist enorm abwechslungsreich, das macht einfach Spaß“, findet Senger. Cousins und dicke Kumpel kicken gemeinsam
Woitynek ist aber alles andere als der Alleinunterhalter in der Scharnhorster Offensive. Neben ihm stürmt mit Noureddien Elyahyaoui ein weiterer Top-Mann: 27 Tore und 23 Vorlagen sind nicht minder eindrucksvoll. „Er ist manchmal ein richtiger Heißsporn, aber die beiden ergänzen sich gut“, beschreibt Senger seinen Teamkollegen.
Der 29-Jährige selbst kickt im zentralen defensiven Mittelfeld, von seinen Nebenleuten hebt er zwei weitere hervor: „Daniel Kolodziejski ist ein ganz wichtiger Spieler, er war in seiner polnischen Heimat auf Profi-Niveau aktiv. Und von einem Jungen wie Patrick Kramer wird man in Dortmund noch Einiges hören, der könnte auch wesentlich höher spielen“, glaubt Senger.
Der Betriebswirt will sich aber gar nicht zu sehr mit Sonderlob aufhalten: „Bei unserer Truppe ist der Zusammenhalt Trumpf. Viele Mannschaftskameraden sind Cousins oder richtig dicke Freunde und kennen sich schon ewig.“ Dass im Nordosten der BVB-Stadt viele Kicker echte Scharnhorster sind, kommt hinzu. „Die Identifikation ist einfach da. Und seitdem der Erfolg da ist, kommen auch viele neutrale Zuschauer, um sich unsere Spiele anzuschauen.“ So lassen sich bei einem Top-Spiel wie am vergangenen Montag schon um die 300 Leute sehen, beim Derby gegen den Stadtteil-Konkurrenten Alemannia sind es sogar noch rund 200 mehr.
Im Derby gegen Alemannia geht's zur Sache
Wie ist es denn um die Rivalität mit dem Nachbarn bestellt? VfL-Bochum-Fan-Senger: „Es war schon wesentlich angespannter, mittlerweile ist das Verhältnis freundschaftlicher. Im Derby geht es aber schon richtig zur Sache, so soll es ja auch sein!“ Fusions-Gedanken stehen in Scharnhorst zwar immer mal wieder im Raum, konkret ist aber nichts.
Auch im Winter konnte der FV eine Duftmarke setzen. Bei den stark besetzten Dortmunder Hallenstadtmeisterschaften sicherte sich der A-Ligist einen respektablen vierten Platz: „Das Turnier hat ja in der Stadt einen riesengroßen Stellenwert. Es war eine überragende Geschichte, vor 3000 Zuschauern zu zocken. Wir haben tollen Fußball gezeigt und uns viel Anerkennung und große Sympathie erarbeitet.“ Da ließ sich das Aus gegen den ASC auch irgendwie verschmerzen.
Das sähe im Falle eines verpatzten Aufstiegs allerdings etwas anders aus. „Schon letztes Jahr waren wir ganz nah dran, jetzt wollen wir es unbedingt packen.“ Für Senger wäre der Erfolg auch eine ganz persönliche Angelegenheit. „Wenn einer sich dann diesen Aufstieg ans Revers heften kann ist es mein Vater, der schon seit Jahrzehnten ackert und als Betreuer sein ganzes Herzblut in den Verein steckt. Für ihn würde ein Lebenstraum in Erfüllung gehen - das kann man durchaus so formulieren.“
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