Auf den ersten Blick handelt es sich dabei um eine faustdicke Überraschung, denn schließlich gastierte der Vorletzte der Kreisliga A des Süd-Ost-Kreises beim Tabellenzweiten, der mit einem Heimsieg die Tabellenführung erobert hätte. Doch ein kurzer Blick auf den Spielbericht bot eine plausible Erklärung. Der HSV hatte es am Dienstagabend mit nahezu der kompletten ersten Mannschaft des ESC zu tun. Neun Spieler aus der Startformation kamen in dieser Saison bereits beim Tabellendritten der Landesliga Niederrhein Gruppe 3 zum Einsatz. Dazu gehörten auch Eckpfeiler wie Ioannis Ketsatis, Robin Puhan, Carlo Winkel, Steven Simon, Pierre Putze oder Sven Wienecke. Da die erste Mannschaft erst Anfang März wieder in der Meisterschaft startet, durften sich die Leistungsträger zwei Ligen tiefer austoben.
Trotz einer 1:0-Führung war der A-Ligist gegen das Landesliga-Spitzenteam letztlich chancenlos. Wie wichtig der ESC diese Angelegenheit nahm, offenbarte die Tatsache, dass selbst der Trainer der ersten Mannschaft, Karl Weiß, in Heisingen auf der Bank saß. "Das ganze hinterlässt für uns einen bitteren Beigeschmack, da Rellinghausen fast mit der kompletten ersten Mannschaft angetreten ist und Karl Weiß alle Geschicke geleitet hat", sagt Heisingens Sportlicher Leiter Franco di Felice.
Gleichwohl betont auch der Funktionär der Südstädter, dass die Maßnahme der 06er nur wenig Angriffsfläche bietet. "Rellinghausen hat nichts Verbotenes gemacht. Das Ganze ist ganz klar erlaubt. Fragwürdig ist aus meiner Sicht die Tatsache, dass dies nur gegen uns passiert ist. In den letzten beiden Spielen wurde der Kader der Zweiten nur vereinzelt verstärkt. Gegen uns lief plötzlich fast die komplette Erste auf. Das ist richtig bitter für uns", schüttelt Di Felice mit dem Kopf.
ESC-Trainer Karl Weiß verteidigte die Entscheidung des ESC, hatte jedoch auch Verständnis für den Unmut des HSV. "Ich bin nicht nur Trainer der ersten Mannschaft, sondern auch Sportlicher Leiter des Gesamtvereins. Da ist mir natürlich auch der Unterbau wichtig. Wir haben viele talentierte Jugendspieler, die künftig nicht in der Kreisliga B spielen werden. Deshalb werden wir alles dafür tun, damit unsere Reserve in der Klasse bleibt", erklärt Weiß und fügt hinzu: "Ich kann aber auch die andere Seite verstehen. Vor zwei Jahren haben wir den Oberliga-Aufstieg verpasst, weil Rot-Weiss Essen sich damals mit Spielern aus der ersten Mannschaft verstärkt hatte."
Beide Funktionäre dürften sich insofern einig darüber sein, dass in diesem Fall der Verband gefragt ist. Um eine Wettbewerbsverzerrung dieser Art zu vermeiden, müssen neue Regeln her. So sieht es di Felice. "Dass Spieler von oben zum Einsatz kommen, ist in Ordnung. Es sollte jedoch verboten sein, fast die ganze Mannschaft einzusetzen. An dieser Stelle müsste es eine Einschränkung geben."
Negativer Höhepunkt des schwarzen Heisinger Abends war darüber hinaus eine zweifelhafte Schiedsrichter-Leistung. In der Schlussphase der Partie musste der HSV gleich drei glatte Rote Karten einstecken. Zudem kündigte der Unparteiische an, einen Sonderbericht anzufertigen, da er nach dem Schlusspfiff sowohl von di Felice als auch von einigen Heisinger Zuschauern lautstark kritisiert worden sei. Di Felice hatte bereits eine Erklärung für die aus seiner Sicht "merkwürdige Leistung" des Schiedsrichters parat. "Der Schiri war früher bei uns in der Jugend aktiv und hat den Verein im Unfrieden verlassen. Seitdem gab es mehrere Spiele, in denen immer etwas auffälliges gegen uns war. Bei mindestens einer Roten Karte lag er komplett daneben. Danach kam natürlich Aufregung rein. Aber wir sind mit Sicherheit keine Kloppertruppe, die gleich drei Mal Rot sehen muss. An diesem Abend ist wirklich alles zusammengekommen."